Allein die Bäume sind treu

Welf Ortbauer: Allein die Bäume sind treu: Texte & Bilder für die Um- und Innenwelt

Trotzige Trauerweiden

Am Anfang muss ein Baum gewesen sein. Erst nach ihm sind Himmel und Erde erschaffen. Diese Sentenz ist einer der vielen, rührseligen, häufig traurigen, immer naturverbundenen und ganz dem Wesen der Bäume gewidmeten Liebeserklärungen an die Kraft der Bäume. Der Dichter Welf Ortbauer hat in einem Baumbilderbuch Texte und Bilder, Energien und Kräfte von einem Teil unserer Welt dargestellt, die es so nicht wiedergeben wird. Weil sie zerstört und ökonomisiert wird. Die Rede ist nicht von Mutter Erde (dafür sind die Menschen, trotz – oder besser: gerade wegen – ihrer Überheblichkeit in keinster Weise imstande), sondern von den größten und mächtigsten Lebewesen auf ihr: den Bäumen.

Bemerkenswert ehrlich ist folgende Überlegung des Autors, wenn er einen Bombenangriff, wie er im letzten Weltkrieg Tausende Menschen und ihrer Wohnstatt hingerichtet hat, mit einem kostenberechnenden Abschlachten eines alten Baumes vergleicht. Ortbauer kommt glücklicherweise! zu der Einschätzung, dass der Bombenangriff wenigstens ehrlich, wenn auch nicht minder qualvoll ist. Die zwanghafte Folter der modernen Naturausbeutung wird hingegen in grünen Parteien oder sonstigem Ökoirrsinn verbrämt – echte Naturverbundenheit ist dahinter nicht auszumachen.

So durchzieht die Texte eine tiefe Melancholie, ein Schmerz von Verlust, nur ein müder, aus dem tiefsten Inneren schreiender Nachhall der Wirklichkeit. Man muss mitweinen, mitfühlen, wenn man das liest. Die großartigen Fotografien tun ihr übriges, um zu erspüren, wie einschneidend die Trauer sitzt. Doch natürlich stehen dem auch viele kräftige Loblieder und einfühlsame Liebeserklärungen entgegen; dennoch ist die Furcht vor den Baumschlächtern in jeder Zeile spürbar.

So bleibt nichts anderes übrig, als sich (vor, nach oder während der Lektüre dieses herzzerreißenden Bandes) zum nächsten Baumriesen zu begeben, um andächtig zu schweigen, zu spüren und zu fühlen. Dass es immer weniger werden, ist mehr als richtig, aber andererseits: werden es nicht auch immer weniger Menschen, die sich wie Menschen bewegen und verhalten? Von daher muss man sich mit Ortbauer verbrüdern, um einen letzten gemeinsamen Schluck Wirklichkeit zu kosten.

Fazit:

Landschaftsgärtner oder wie die Leute heißen sind gefühllose Mörder. Baumfäller sind Naturterroristen und Politiker, die das Ganze fördern, sind das, was Politiker immer waren: käufliche Lobbyisten. Zur Freiheit, zum Leben geht es in die andere Richtung. Ortbauer bildet, lebt, liebt sie vor. Und ja: die Menschheit befindet sich gerade in einer Phase extremer Minderbemitteltheit – sei es drum. In einigen hundert oder tausend Jahren werden die Bäume wieder den Ton angeben.

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