Alphatier

BLUESIG, ROH und DRECKIG!

Der Musiker:

Marius Müller-Westernhagen wurde 1948 in Düsseldorf geboren. Ende der 60er Jahre war er mit seiner Band Harakiri Whoom eine lokale Bekanntheit in der Düsseldorfer Musikszene. Anfang der 70er zog er nach Hamburg und war häufiger Gast der Künstler-WG Villa Kunterbunt, in der unter anderem Otto Waalkes und Udo Lindenberg lebten. Im Oktober 1974 erschien sein Debütalbum „Das erste Mal“. Westernhagen arbeitete auch als Schauspieler. 1980 erreichte er mit dem Kinofilm „Theo gegen den Rest der Welt“ den Höhepunkt seiner schauspielerischen Karriere. Danach konzentrierte er sich auf die Musik. In den 90ern avancierte er zum stadionfüllenden Rockstar. Nach der Radio Maria Tour 1999 erklärte er, dass es keine weiteren Stadion-Touren von ihm mehr geben wird. Im neuen Jahrtausend wurde es etwas ruhiger um Westernhagen. Er veröffentlichte weiterhin Alben und absolvierte kleinere Tourneen, konnte jedoch an die großen Erfolge nicht mehr anknüpfen. 2013 trennte er sich nach 25 Ehejahren von seiner Frau Romney Williams.

Das Album:

Fünf Jahre nach seinem letzten Studioalbum „Williamsburg“ will es Westernhagen noch einmal wissen. Sein 19. Studioalbum „Alphatier“ setzt den bluesigen Sound fort, den er auf seinem Livealbum „Hottentottenmusik“ vor zwei Jahren andeutete. Im Vorfeld gab es bereits einige Lobbekundigungen, die von einem großen Album sprachen. Viele Kritiker gingen sogar soweit, von Westernhagens bestem Album seit „Halleluja“ zu sprechen. Allein der Vergleich hinkt, den wo „Halleluja“ glattpoliert war und radiotaugliche Hits präsentierte („Sexy“, „Weil ich dich liebe“), ist „Alphatier“ bluesig, roh und dreckig!

Schon der Opener „Hereinspaziert, hereinspaziert“ macht deutlich, das sich Westernhagen um keine Erwartungen schert. Ein sperriger Song mit einem Text, der den Zerfall unserer Kultur zum Thema hat. Ich finde die Nummer Klasse und war gespannt, was noch folgen sollte: Eine Menge! Marius Müller-Westernhagen rotzt ein Album hin, das mir gerade musikalisch ausgesprochen gut gefallen hat. Wie er in einem Interview betonte, ist es das Album einer Band, auch wenn er die Songs geschrieben hat. Und das hört man. Hier sind Vollblutmusiker am Werk, die es geschafft haben, den Sound so klingen zu lassen, als sei das Album in drei durchzechten Nächten in einer Garage entstanden.

Mit „Alphatier“, „Oh, Herr“ oder „Keine Macht“ gibt es Songs, die Westernhagen so spielfreudig wie lange nicht mehr zeigen. Und mi dem epischen, sechseinhalb Minuten langen „Liebe (Um der Freiheit willen“) ist ihm vielleicht einer seiner besten Songs gelungen.

Aber: „Alphatier“ hat nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Das Westernhagen oft mit kryptischen Texten arbeitet ist man spätestens seit „Radio Maria“ gewohnt. Auch die Tatsache, dass er nicht der stimmgewaltigste Sänger im Lande ist, stellt keine Überraschung dar. Allerdings ist seine Stimme stellenweise so undeutlich, dass man die Texte trotz intensivstem Hören nur bedingt versteht. Und das mindert den Hörspaß schon ein wenig.

Trackliste:

01 – Hereinspaziert, hereinspaziert

02 – Alphatier

03 – Liebe (Um der Freiheit willen)

04 – Oh, Herr

05 – Clown

06 – Engel, ich weiss

07 – Verzeih`

08 – Was ich will bist du

09 – Liebeslied

10 – Keine Macht

11 – Halt mich noch einmal

12 – Wahre Liebe

 

Fazit:

„Alphatier“ ist ein Album das polarisiert. Fernab des Mainstream liefert Marius Müller-Westernhagen ein gutes Album ab. Auch wenn das Werk von RTL beworben wird, ist es alles andere als leicht verdauliche Massenkost. Wer Ohrenschmeichler wie „Rosie“ oder „Willenlos“ erwartet, wird von „Alphatier“ sicher erschreckt und enttäuscht sein. Wer ohne Vergleiche und mit offenen Ohren an dieses Album geht, wird feststellen, dass Westernhagen im Herbst seiner Karriere ein solides Album abgeliefert hat.

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