Dylan & Gray

Katie Kacvinsky: Dylan & Gray

Liebe ohne Extras

Wie sehr man sich doch in der Aufmachung täuschen kann. Und das gilt nicht nur für den Inhalt des Hörbuches, sondern auch für das Layout des Buches selbst. So erwartet man nämlich eine klassische, für Jugendliche vielleicht genau angemessene, für alle weiter blickenden Menschen aber allzu seichte Liebesgeschichte. Doch weit gefehlt! Dahinter steckt ein interessantes, verrücktes und herrlich besonderes Buch, mit dem die Amerikanerin Katie Kacvinsky zum ersten Mal literarisch auf sich aufmerksam machen konnte.

Zum Inhalt: Der ist so klassisch und konsequent, dass man sich fast ins 19. Jahrhundert zurück versetzt fühlt, als Literatur noch Kunst und Liebesbeschreibungen noch hochsensible Erfahrung waren. Auf den ersten Blick haben wir es hier mit zwei hochmodernen Amerikanern zu tun, die ja per se alles andere als Kunst, Einfühlsamkeit und Faszination versprechen. Da der eine auch noch ein ständiger IPod-User ist, mit Baseballkappe und Schlabberklamotten und damit durch die Isolationswelt der modernen degenerierten Medienkonsumenten schlurft, und als einzige Attraktivität ein gutes Äußeres ins Spiel bringt, mag man sich am Liebsten vor der amerikanischen Scheinheiligkeit angewidert wegdrehen.

Doch dann passiert richtig Unglaubliches. Zunächst im Können der Autorin, die nämlich jenen männlichen Charakter – Gray – sich und seine Welt selbst beschreiben lässt; um im ständigen Wechselspiel das faszinierende, komplementäre weibliche Elemente – Dylan – anzubieten. Frech, eigenständig, freiheitsliebend, reiselustig und offen für das Leben, ein moderner Epikur, ein verrückter Engel auf Erden.

Es entwickelt sich nun eine ganz normale, man kann sogar behaupten, stinklangweilige Liebesgeschichte in einer einzigartigen hervorragenden Erzählung! Klingt irre, ist es auch und unbedingt nachzuhören mit den Stimmen von Marie Berstet und Maximilian Artajo. Die sprechen solide und lullen erst einmal ein: Mädchen trifft Junge und irgendwann funkt es ganz großartig!

Was das Buch und auch das Hörbuch so faszinierend macht ist dieser abwechslungsreiche Schreibstil, die vielen humorvollen Passage, die an platonische Philosophien erinnernden ausufernden Dialogsequenzen und die fantastische Art von Kacvinsky empathisch zu sein, wirklich das zu beschrieben, was man nachvollziehen kann, nicht nur auf einer verblödeten Facebook-Ebene, sondern als wirklicher, prachtvoller Funken Lebendigkeit des Menschen.

Keine Drachen, keine Actionszenen, kein aufgeplusterter Spannungsbogen, keine Dystopie, keine bösen Könige, keine Spiele um Brot und Leben, keine Katzen und kein Zuckerguss: dafür Menschen mit Gefühlen, mit Schmerz, Wut, Sorge, Liebe und Freundschaft – und mit dem so nachvollziehbaren Drama der Verbindung von A und B und den dabei so häufig auftretenden Kommunikations- und Anspruchsvorstellungen.

Fazit:

Eine echte Alternative und ein sehr zu empfehlende Hörbuch. Lasst euch nicht von dem Cover abschrecken (dass eigentlich genau jene Plattitüden anspricht, die man sonst so findet) und auch nicht von dem so herrlich belanglosen deutschen Titel – das Original sagt eigentlich alles: First comes Love. Und die Second Chance wartet schon in der Hinterhand, sprich der zweite Band ist in den USA schon auf dem Markt. Immerhin ein Ansatz moderner Literatur – schade, aber auch so dennoch etwa besonders.

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