Eduardo Chillida

Die Werkgrenze: Aufbruch nach Innen und Außen

Zur facettenreichen Ausstellung des baskischen Bildhauers und Künstlers Eduardo Chillida (geb. 10.1.1924) im Kunstmuseum Pablo Picasso Münster vom 8. Januar bis zum 22. April 2012, die den Auftakt zu einer Reihe weiterer Veranstaltungen und Ausstellungen anlässlich seines 10. Todestages am 19.8.2012 bildet, ist im Hirmer Verlag in München ein Katalogbuch erschienen.

Es bietet mit seinem umfangreichen Bildmaterial und zentralen Texten eine komprimierte Einführung in das Werk und Leben dieses gerade auch in Deutschland seit 1966 mehr und mehr bekannt gewordenen und sehr verehrten Künstlers: Der schon bibliophil zu nennende, weil auch typographisch sehr abwechslungsreich ausgestaltete Band eröffnet den Blick auf das gesamte Werk Eduardo Chillidas über einen Zeitraum von fast 50 Jahren mit 52 Stahl-, Keramik- und Alabasterskulpturen, 50 Handzeichnungen (Tusche) und Papierkollagen und 14 Graphiken bzw. Einzeldarstellungen aus seinen Malerbüchern.

Hinzu kommen weitere Photographien von gigantischen Monumenten an Originalschauplätzen in aller Welt (z.B. in Berlin, Bonn, Münster, Trier, San Sebastián), von Werkstatt- und Atelieraufnahmen sowie von eher privaten Fotos des Künstlers im Kreise seiner Familie oder Freunden und Kollegen – illustrieren vor allem den biographischen Teil des Buches.

Der erste Katalogtext stammt vom Museumsleiter des Kunstmuseums Pablo Picasso Münster und Herausgeber des Katalogbuchs Prof. Dr. Markus Müller mit dem Titel: „Eduardo Chillida. Der Architekt der Leere“.

Er analysiert, von einer sehr gegensätzlichen Werkgenese bei Picasso und Chillida ausgehend, dessen – im Vergleich zu Picasso – klar abgrenzbare und langsam fortschreitende künstlerische Entwicklung von den frühen Zeichnungen aus dem Jahr 1948 über die in den 1950 Jahren beginnende „Eisenzeit“ und dem Ende der 1950ger Jahre mit mehr und mehr eingesetztem Holz als Arbeitsmaterial bis hin zu den verschiedenen Entwürfen und Vorstufen zum Strukturensemble der Windkämme, die ab Sommer 1977 in der Bucht von San Sebastián aufgestellt wurden.

Ein für mich besonders aufschlussreicher Abschnitt des Textes von Markus Müller beschäftigt sich mit der (Material-)Ästhetik Chillidas: Er setzt sie in Beziehung zu einer Reflexion Goethes, nach der sich „der wahrhaft große Künstler den Formgesetzen der Materie beuge“. Doch wird im Text Müllers nicht nur Chillidas geistige Verbindung und Affinität zu Literaten und Dichtern über Epochen hinweg nachvollzogen, die z.B. durch seine Skulptur La Casa de Goethe (1986 in Frankfurt am Main am Taunusring eingeweiht) eigens ihren künstlerischen Ausdruck gefunden hat, sondern auch die zahlreichen Bezugnahmen zu weiteren Dichtern, z.B. spätmittelalterlicher Mystik, aber auch zu bildenden Künstlern und Philosophen, vor allem auch zu Musikern, wie Vivaldi oder schließlich zur Musik Johann Sebastian Bachs.

Ihm brachte Chillida eine herausragende Wertschätzung entgegen, da er sie in besonderer ästhetischer Nähe und Verwandtschaft zu den Möglichkeiten der Bildhauerei interpretierte bzw. sie durch eigene Werke, wie z.B.  La Casa de Juan Sebastian Bach, herzustellen versucht hat.

Auch der schillernde Beitrag „Eduardo Chillida in Deutschland“ von Nausica Sanchez vertieft die Bezüge Chillidas v.a. zur deutschen Kultur, zu Literatur, Philosophie und Musik und führt den Künstler als Humanisten mit einer großen Leidenschaft für Ethik und universelle Werte vor.

Der katholische Theologe, Kunstsachverständige und Kunstvermittler Friedhelm Mennekes stellt Verbindungen zum spanischen Mystiker Juan de la Cruz/Johannes vom Kreuz (1542-1591) her und spürt, kenntnisreich und überzeugend, Wegen und Verbindungslinien von raumgreifenden Gestaltungsoptionen Chillidas zur Theologie bzw. Mystik des Hl. Johannes nach.

Alle drei Texte, von Müller, Sanchez und Mennekes ergänzen sich vorzüglich, können im fortschreitenden Lesen verschiedene Aspekte vertiefen und bilden so – im Zusammenhang mit dem umfangreichen Bildmaterial – ein umfassendes Vergnügen.

Den Abschluss bildet ein Werkverzeichnis in Miniaturbildern, sodass die Leser die beschriebenen Werke sofort im Überblick vorfinden.

Fazit

Nicht nur dieses pfiffige typographische Element zeugt von der ausnahmslos positiv und äußerst gefällig zu bewertenden graphischen Gestaltung des Bandes genauso, wie alle Texte fesseln und er damit zur Ausstellung in Münster in das so reiche künstlerische Leben und Werk Eduardo Chillidas, inklusive der immer wieder eingestreuten Eigenzitate, nicht besser hätten einführen und es verständlich machen können.

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