Oneirology

Cunninlynguists – Oneirology

Einseitigkeit ist nicht das Problem von HipHop. Schade ist es vielmehr, dass die große Menge an Dreck und Treibholz, die von der Medienflut angespült wird, schnell vergessen lässt, welche Schätze unterhalb der Oberfläche warten.. So dürfte es leider vielen entgangen sein, dass inmitten von Autoscooter-affinen Autotune-Orgien nach Lil-Wayne-Rezept und Pop-Kollabos a la Eminem und Rihanna, die leider nur minder bekannten „Cunninlynguists“ gerade erst ihr inzwischen fünftes Studio Album veröffentlicht haben. Entgegen diverser Trends setzte die Gruppe bisher stets auf das ursprüngliche, originäre Rezept von HipHop: Beats auf Sample-Basis, dazu schnörkelloser Sprechgesang und statt dem  Trällern austauschbarer Plastik-Pop-Puppen, schmücken Cuts und Scratches die Refrains.

Zu behaupten, die Jungs aus Kentucky wären diesem Soundbild treu geblieben, wäre eine Lüge. „Oneirology“ ist elektronischer und experimenteller, statt gutem alten Sampling bestimmen verspielte Syntheziser-Klänge die Atmosphäre und mit den zahlreichen Gesangsfragmenten in den Refrains, kommt das Album schon fast ein wenig poppig daher.  Musikalische Trends, wie eben die aktuelle Elektroaffinität des HipHop und seine Anbiederung an den eingängigen Pop, müssen schließlich nicht per se verweigert werden. Vielmehr können sie aufgegriffen, variiert und abgewandelt werden, so dass am Ende etwas wirklich Neuartiges und Innovatives entsteht; wie dieses Album beweist.

Das Klangkonzept wurde durchgezogen

So werden die, für die als Refrains benutzen, Vocal-Samples nicht einfach nur auf die Chipmunk-Oktave hochgepitcht, sondern bloß leicht verstimmt, vorsichtig behallt und genau so gefiltert und verzerrt, dass sie sich harmonisch und sanft in das warme, verträumte Soundkonzept einfügen. Schade ist bloß, dass die durchgehend soulige, deswegen aber auch einseitige Auswahl der Gesangsfragmente spätestens ab der Hälfte des Albums doch ein wenig ermüdend wirkt. Gerade dann, wenn das verzerrte Rocksample am Ende des Stückes „The Habit“  Abwechslung angekündigt; nur um den Song dann wenige Sekunden später enden zu lassen. Scheinbar wollte der Produzent das einheitliche Klangbild zugunsten des Konzepts aufrechterhalten. „Oneirology“, eigentlich die englische Bezeichnung für die Wissenschaft vom Träumen, soll den Hörer schließlich in die wirre, irrationale und verwirrende Welt des Tiefschlafs entführen. Textlich schlägt sich das vor allen Dingen in den rahmenstiftenden Eingangs- und Ausgangsstücken wieder, die sich durch ihre schon fast chiffrenhafte Sprache auszeichnen: „I am floating happy not knowing natural course / Tie a wristwatch in slipknots and dock at my porch“.

Fazit

Metaphern wie die von der verknoteten Armbanduhr als Anker im Ozean des Traums mögen manchem vielleicht zu überzogen sein, andererseits spricht das Konzept von „Oneirology“ doch von jeglicher Vernünftigkeit und Beherrschtheit der Symbole frei: Hier soll gesponnen werden, hier muss nicht jedes Symbol bis ins letzte Detail ausgedeutet werden; vielmehr soll mit Sprache hier Stimmung erzeugt werden. Wie nicht entgangen seien dürfte, übrigens eine, die sich nicht allzu häufig im HipHop finden lässt. Von daher kann auch über das soundästhetisch etwas zu einspurig durchgezogene Konzept hinweggesehen werden. Wenigstens gibt es hier eines, dass über Trendhörigkeit und Verkaufstaktik hinausgeht.

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