Stich ins Wespennest

D.E.Stevenson: Stich ins Wespennest

Die Autorin erfindet die sich selbst

Muss man in dem vorliegenden Fall gar von doppelter Synchronizität sprechen? Zunächst die offensichtliche Verdoppelung der Ereignisse: Jenes hier zur Rezension vorliegende Hörbuch erzählt die Geschichte einer Autorin, die ein Buch über ihre eigene Stadt schreibt und damit berühmt und wohlhabender als zuvor wird.

Typische Kalauer und doppelte Lottchen sind also an der Tagesordnung, wenn innerhalb des Hauptstrangs die nette Nachbarin von nebenan die Autorin grüßt und selbige wiederum innerhalb des Buchplots mit ähnlichen Eigenschaften, aber ganz anderem Namen zum Vorschein kommt.

Die Verdopplung dieser Verdopplung liegt nun darin, dass Dorothy Emily Stevenson über vierzig Romane schrieb und mit diesem 1934 veröffentlichten Werk ihren Erfolgszenit erreichte. Ganz schön verwirrend, oder?

Alles andere als verwirrend, vielmehr charmant, lustig, richtig britisch und interessant ist das von Radioropa veröffentlichte Hörbuch, das in dem vorliegenden Fall als eine einzige MP3-CD daherkommt und dafür satte neuneinhalb Stunden Hörgenuss bietet.

Verglichen mit dem günstigen Preis schon mal eine erste Aufforderung sich dem besten Roman, der in Deutschland bislang völlig unbekannten Großnichte des berühmtesten Stevensons aller Zeiten, nämlich dem Autor der Schatzinsel, anzunähern.

Die Weltwirtschaftskrise hat nicht nur auf D.E. Stevenson, so das einfach Kürzel, sondern auch auf ihre Protagonistin Barbara Buncle einen großen Eindruck gemacht. Die Ersparnisse, vielmehr die Dividende der Eltern, ist langsam, aber sicher futsch, und bevor die gute Dame in die Hühnerzucht einsteigt, fasst sie sich ein Herz und sticht mit ihrem Roman ins Wespennest.

Denn die Beschreibung über ihr eigenes kleines Dörfchen Silverstream ist so gut und köstlich gelungen, dass sich deren Bewohner darin nur allzu leicht wiedererkennen. Auch wenn das Pseudonym John Smith anfangs noch ausreicht, um Miss Buncle vor den wütenden Angriffen ihrer Nachbarn zu schützen, wird es am Ende dramatisch.

Und darüber hinaus dann romantisch, also selbstverständlich ein Happy End und eine Liebe, der es eigentlich gar nicht mehr bedurft hätte – das Buch ist auch so schon herzlich herrlich!

Die Schauspielerin Angelika Warning gibt sich nun alle Mühe dieses, erst vor kurzem erstmals ins Deutsche übersetzte Buch, hinreißend und vielfältig zu intonieren. Das gelingt ihr überzeugend, manchmal vielleicht ein wenig zu überzeugend; bleibt sie anfangs noch reserviert und lässt dem Stoff Vorschub, übernimmt sie am Ende das Kommando und der Inhalt selbst kann leicht in Rückstand geraten.

Nichtsdestotrotz ein angenehmes und kurzweiliges Hörerlebnis, das in erster Linie von der komischen Idee der doppelten Autorin abhängt.

Fazit:

Ein Sammlerstück, wahrscheinlich irgendwo in einem Keller britischer Auswanderer wiederentdeckt, erfährt nun eine späte, aber niemals zu späte Ehrerbietung.

Das Buch verkaufte sich bereits großartig, nun legt das Hörbuch entsprechend nach.

Sinnig gezeichnete Charaktere, herrlich komische Verwechslungspassagen, typisch rurale Eigenarten, so unter anderem die Wut auf die Selbstentblößung: Miss Stevenson hat so Einiges an Talent von ihrem großen Großonkel geerbt und ein herrlich komisches, nettes, immer unterhaltendes Büchlein über eine Buchautorin geschrieben, die darauf wartet von Ihnen verschlungen zu werden.

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