Tage des Zorns

Easterine Iralu: Tage des Zorns

Das besondere Buch

Tage des Zorns erschien in der Edition Sharazad, die Autoren, die im Exil in den „Städten der Zuflucht“ leben, ein Forum bietet, um sie einem deutschsprachigen Publikum vorzustellen. Die Städte der Zuflucht, mit dem englischen Namen „International Cities of Refuge Network“ und der Abkürzung ICORN, ist ein Zusammenschluss verschiedener Städte, überwiegend in Europa, die verfolgten Autoren eine Zuflucht bieten. Hier können verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Ruhe leben und ohne Angst und Schikanen schreiben. Easterine Iralu, 1959 im nordindischen Nagaland geboren, lebt und arbeitet seit 2005 in Norwegen. Der zwar gewaltsame, aber im Rest der Welt weitestgehend unbeachtete Konflikt zwischen der Naga-Bevölkerung und der indischen Zentralregierung zwang die engagierte Schriftstellerin und Journalistin das Land zu verlassen.

Inhalt

In Tage des Zorns beschreibt Iralu erstmalig das Aufwachsen eines Mädchens in Nagaland. Die fünfjährige Dielieno wird von ihren Eltern der Großmutter übergeben, die aus dem Mädchen entsprechend der alten Überzeugungen und Traditionen eine gehorsame Ehefrau machen will. Die Erziehungsmethoden sind harsch, manches Mal schlicht grausam,  wecken aber in dem Mädchen schon früh das Gespür für Gerechtigkeit und Fairness – gerade weil sie die bitter vermisst. Mädchen sind grundsätzlich weniger wert als Jungen, die Brüder erhalten bei ihren Besuchen fast das gesamte, extra geschlachtete Hähnchen und werden von der Großmutter liebevoll auf den Schoß gezogen und verwöhnt. Dielieno muss sich mit Reis und Brühe zufrieden geben, nach Liebe und Zärtlichkeiten sehnt sie sich vergebens. Auch im Winter muss sich Dielieno mit kaltem Wasser waschen, füh morgens, bevor sie mit ihrer umfangreichen Hausarbeit beginnt – da ist das Mädchen gerade fünf Jahre alt. In Bano, die ebenfalls bei der Großmutter lebt und diese Mutter nennt, obwohl sie nicht deren Tochter ist, gewinnt Dielieno mit der Zeit eine Freundin im Leid. Besser wird ihre Situation, als es die Familie es entgegen den Wünschen der Großmutter durchsetzt,  Dielieno in die Schule zu schicken. Das Mädchen flüchtet sich ins Lernen, von den anderen dafür gelobt, von der Großmutter als neumodischer Unsinn verdammt. Aber auch Nagaland wandelt sich, Großmutters Welt ist im Schwinden begriffen und auch Dielieno lernt, wie sie sich wehren kann.

Fazit

Tage des Zorns zeichnet ein umfassendes Bild verschiedener Menschen in Dorf, traditionelle Familienstrukturen und rascher Wandel im nordöstlichsten Winkel Indiens. Wir werden mit Glaubensvorstellungen bekannt gemacht, die Großmutter erscheint mehrfach als Geist, und wie man damit umgeht aber auch der Penetranz christlicher Geistlicher, mit Esskultur und Alkoholproblemen der Männer, mit zornigen, unzufriedenen jungen Nagas und tratschsüchtigen alten Frauen und mit der ganz eigenen Höflichkeit der Menschen im Umgang miteinander. Auf 300 Seiten ersteht eine ganze, im Westen zumeist unbekannte Welt über die sich zu lesen lohnt, schon um zu erfahren, wie es Dielieno gelingt, ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen und Zielen auszurichten und Großmutters Vorstellungen zu überwinden.

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