Tagebuch eines Dienstmädchens

Krishna Baldev Vaid: Tagebuch eines Dienstmädchens

2008 erschien auf Deutsch „Kein ganz gewöhnliches Leben“ von Baby Halder, einer Frau aus Westbengalen, die ihr doch leider ganz gewöhnliches, nämlich an Härten reiches Leben der unteren Gesellschaftsschicht erzählte. Dieses 2002 in Indien erschienene Buch wurde dort ein Bestseller und löste eine umfangreiche Debatte aus, hörte man doch hier von der Betroffenen selbst ihre Lebensgeschichte; die Geschichte einer Frau, der man ansonsten keine eigene Geschichte und schon gar keine Reflektion darüber zugetraut hatte.

An dieses Buch erinnert „Tagebuch eines Direnstmädchens“ zuerst, aber Krishna Baldev Vaid ist kein Dienstbote, er ist Schriftsteller und „Tagebuch eines Dienstmädchens“ ist ein Roman. Vaid nimmt sich des Themas der übersehenen Dienstmädchen an, aber dieses Tagebuch ist  mehr als nur eine Bestandsaufnahme einer täglichen Arbeit.

Inhalt

Shanti ist eine aus dem Heer der Dienstmädchen, die Indiens Städte bevölkern. Jedes dieser Mädchen, meist stammen sie aus einer Familie, in der schon Mutter und Großmutter Dienstmädchen waren, putzt in mehreren Häusern. Immer in Eile, denn bei der nächsten Stelle darf sie ja nicht zu spät kommen – niemanden stört dabei, dass Shanti gar keine Uhr besitzt – immer unter Beobachtung, denn Dienstmädchen stehen immer unter Generalverdacht: sie stehlen, wo es möglich sei und verabreden sich mit Einbrechern, für die sie die Kundschafter machen. Geschieht ein Raub, Einbruch oder gar Mord, wird als erstes das Dienstmädchen verhaftet- und was unbeschützten jungen Mädchen im Polizeigewahrsam geschieht, davon wird nicht gesprochen, ahnen kann man aber es schon. Beim Putzen des Bodens, der Toiletten, der Küche, immer steht die Memsahib dabei, kontrolliert und treibt an.

Shanti putzt jeden Tag Toiletten, sie selbst jedoch geht so früh morgens wie möglich ins Freie und versucht unbeobachtet draußen ihre Notdurft zu verrichten. Wenn Shanti Wasser trinkt, tut sie es im Stehen, wenn sie sich bei ihren Memsahibs setzt, dann nur auf den Boden. Doch Shanti, auch Shano genannt, hinterfragt solches Benehmen nicht. So war es immer, auch ihre Mutter kennt nichts anderes. Das ändert sich erst, als Ms Varma Shano ein Heft und Schreibzeug schenkt. Shano soll Tagebuch schreiben. Zwar ist dem Mädchen nicht klar, was das bringen soll, aber schnell verfällt sie der Schreiblust. Und wo kommen plötzlich diese vielen Gedanken her? Shano stellt erstmals Fragen, überlegt sich Szenarien, so könnte es auch sein, was ist ihr Leben. Heiraten will sie nie, die meisten Männer schlagen ihre Frauen und saufen, auch ihr Vater tat das und der Mann ihrer Schwester ist genauso.  Aber wenn sie nie heiratet, wie ist es dann mit Kindern und was wird mit dem Verlangen ihres Körpers?

Shano, die so viel nachdenkt, hat Glück mit MsVarma und mit dem Zeitungssahib, zwei Menschen, die sie offenbar nicht nur als Dienstmädchen sehen, nicht als schmutzig und dumm betrachten. Aber eine andere Zukunft als die eines Dienstmädchens können oder wollen sie ihr auch nicht bieten und als Shanti tiefer schaut, stellt sie fest, dass sie auch für diese von ihr verehrten Menschen letztendlich doch nur ein Dienstmädchen ist. Vorurteile sind offenbar nur äußerst schwer auszurotten. Shanti wird sich neue Arbeitgeber suchen.

Fazit

Ein Einblick in eine uns fremde Welt, die uns zeigt, wie zählebig Vorurteile sind und wie ebenso zählebig die Liebe zum eigenen Vorteil – und damit ist die Geschichte uns wieder sehr nah.

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