Und plötzlich stumm

Und plötzlich stumm von Kenzaburo Oe

Inhalt
Kurz nach Ende des 2. Weltkrieges an einem heißen Sommertag: Japan ist von Amerikanern erobert und besetzt. Eines Tages fahren amerikanische Soldaten, begleitet von einem japanischen Dolmetscher, in ein Dorf und wollen dort ein wenig Rast machen. Sie stellen sich mehr oder wenig höflich den Einheimischen, insbesondere dem Dorfvorsteher vor und machen ihnen klar, dass sie nichts von den Einheimischen erwarten, umgekehrt aber auch in Ruhe gelassen werden wollen. Sie vergnügen sich ein wenig Der Dolmetscher wird von den Amerikanern ein wenig gehänselt, und nach dem Bad sind plötzlich die Schuhe des Dolmetschers verschwunden. Dies erzürnt den Dolmetscher so sehr, dass er die Einheimischen zwingt, nach den Schuhen zu suchen – was sie zwar tun, aber sehr widerstrebend – und, nachdem er die zerschnittenen Schnürsenkel findet, ihnen androht, dass jedes Haus durchsucht werde, weil es einen Dieb unter ihnen gäbe.

Währenddessen warten die Soldaten schweigend und etwas gelangweilt ab. Abwechselnd beschimpft und bittet der Dolmetscher die Einheimischen um Hilfe, wobei der Dorfvorsteher immer wieder versichert, dass sie nichts mit der Sache zu tun haben. Die Situation eskaliert und der Dorfvorsteher wird, als er sich nach einem Faustschlag des Dolmetschers abwendet, von einem Soldaten erschossen. Nachts geht der Sohn zum Schlafplatz des Dolmetschers. Dieser denkt, dass der Junge ihn zu seinen Schuhen führt und geht mit diesem mit, als er plötzlich aus dem Dunkeln heraus überwältigt und im Bach ertränkt wird. Am Morgen bergen die Soldaten den toten Dolmetscher aus dem Wasser, wobei die Dorfbewohner sie überhaupt nicht beachten, als gäbe es sie gar nicht. Auch als die Soldaten das Dorf auf dem gleichen Weg verlassen, wie sie gekommen sind und noch Bonbons herauswerfen für die Kinder, gehen sie einfach ihrer Arbeit weiter nach.

Hintergrundinformationen und Besonderes zu diesem Buch
Kenzaburo Oe ist ein japanischer Schriftsteller (geboren 1935), der 1994 den Nobelpreis für Literatur erhalten hat. Er hat in Tokyo französische Literatur studiert und fing schon als Student sehr erfolgreich an, zu schreiben. Seine hier vorliegende Erzählung stammt aus dem Jahr 1958, also recht kurz nach Kriegsende, als die Eindrücke des Krieges bei allen Japanern noch sehr frisch sind.

Die Novelle „Und plötzlich stumm“ gilt als Meisterwerk japanischer Erzählkunst, in ihr entwickelt sich eine scheinbare Banalität plötzlich zu etwas Bösem, die Worte, die Oe benutzt, sind einfach, aber atmosphärisch sehr gut eingefangen, der Leser fühlt sich, als wäre er mitten in der Geschichte. Weiterhin sehr charakteristisch für japanische Novellen ist, dass Naturbeschreibungen sehr malerisch, aber dennoch minimalistisch im Stil,  wiedergegeben werden.
Wie in den 90er Jahren üblich, als japanische Literatur erstmals in breiterer Form auf dem deutschen Markt erschien, ist auch der hier rezensierte schmale Band (die gesamte Novelle umfasst nur 31 Seiten) künstlerisch und optisch sehr aufwendig und ungewöhnlich gestaltet: der Einband zeigt ein stilisiertes Bambusmotiv, das sich auf der ersten Seite als Transparentpapier wiederholt und über den Text gelegt ein wunderschönes Muster ergibt. Die Seiten sind nicht geschnitten, sondern gefaltet (d.h. jeweils 4 Seiten, ein Doppelbogen sind zu einer Doppelseite gestaltet, die an der Außenkante gefaltet ist und damit innen unbeschrieben), so dass sich ein ungewöhnliches haptisches Erlebnis ergibt.

Fazit
Die Geschichte liest sich – auch wenn es um einen fremden Kulturkreis geht – sehr gut und eingängig, das Thema Japan als besetztes Land mit allen Konsequenzen ist für deutsche Leser aus eigener Erfahrung auch recht gut nachvollziehbar. Der Sprachstil ist auch für deutsche Leser nicht zu exotisch. Insgesamt ein wunderbares Beispiel für japanische Literatur, ein interessantes Stück Historie, das einen kleinen, aber feinen Einblick in die japanische Seele gibt und gleichzeitig ein lesenswertes Beispiel aus der Weltliteratur!

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