Verflucht sei Dostojewski

Verflucht sei Dostojewski von Atiq Rahimi

Übersetzt aus dem Französischen von Liz Künzli

Inhalt

Als Rassul das Beil auf den Kopf der alten Wucherin schlagen will, erinnert er sich plötzlich an Dostojewskis Roman „Verbrechen und Strafe“. Er fängt an zu zittern und das „Beil rutscht ihm aus den Händen“ und „spaltet den Kopf der Frau“.

Das Geld in den Händen, hätte Rassul nun Gelegenheit, es an sich zu nehmen mit der Schmuckschatulle, die daneben liegt. Er lässt beides liegen, weil er gestört wird und flieht mit einem Sprung aus dem Fenster. Hinter sich hört er den Schrei einer Frau. Er kehrt an den Tatort zurück, sieht eine Frau aus dem Haus stürmen. Hat sie die Beute mitgenommen? Er folgt ihr, sie bemerkt es, aber schon bald hat er sie in einer Gruppe von himmelblauen Tschaderi-(Schleier)-Trägerinnen verloren.

Rassul lebt im Kabul von heute, der Hauptstadt Afghanistans. Um ihn herum explodieren Granaten, in seinem Kopf dreht sich alles.

Sein Zimmer ist mit Büchern seines Jurastudiums vollgestellt. Im Schlaf verfolgen ihn Träume und Alpträume, bis plötzlich die Tür aufgestoßen wird. Mudjadeddin schlagen und zerren an ihm und führen ihn ab, sie nehmen einige seiner Bücher und Papiere mit. Wurde er von der Frau im himmelblauen Tschaderi denunziert?

Nun sitzt er im Informations- und Kulturministerium einem ernst blickenden Mann gegenüber, der ihn mit „Watander“, das heißt „Bürger“ anspricht und das ist für Rassul beruhigend. Leider kann er nicht antworten, da ihm seit dem Mord die Stimme versagt. Er schreibt die Antworten auf ein Blatt.

Er ist in Kabul geboren, hat in den 1980er Jahren in Russland Jura studiert. Dabei hat der das Buch „Verbrechen und Strafe“ von Dostojewski studiert und angefangen es zu übersetzen. Er hat das Buch so sehr in sich aufgenommen, dass er nun, ebenso wie der Protagonist Raskolnikow, reagiert.

Der Sicherheitsbeamte Parwaiz kennt zwar Dostojewski, hat aber dieses Buch noch nicht gelesen, was er bedauert. Er entschuldigt sich für das Verhalten seiner Beamten und bittet Rassul wiederzukommen, wenn es ihm besser geht, dann könnten sie sich ausführlich über Dostojewsi unterhalten.

Als Parwaiz das Blut auf Rassuls Hemd sieht, glaubt er, dass seine Beamten ihn bei der Festnahme verletzt hätten. Er entschuldigt sich und erzählt von den vielen Überfällen im Viertel. Gerade erst wurde eine alte Wucherin mit einem Beil erschlagen.

Rassul wird ganz bleich und setzt sich. Parwaiz kann in diesem Moment keinen Zusammenhang erkennen und fordert Rassul auf, doch seiner Gruppe beizutreten, denn er braucht „gebildete Männer“. Rassul ist noch ganz benommen und geht nach Hause.

Auf seine Umgebung wirkt Rassul verstört, verzweifelt, stur, krank. Er kann noch nicht sprechen, manchmal will er auch nicht. Er zieht sich immer mehr zurück, bis sich seine Freunde auch von ihm abwenden.

Als er endlich seiner Freundin die Tat gesteht, glaubt sie ihm nicht. Genau wie in Dostojewskis Roman niemand an die Tat Raskolnikows glaubt.

Plötzlich sieht er die Frau im himmelblauen Tschaderi, die ihn auch wieder erkennt. Sie geht weiter, Rassul ruft, sie antwortet nicht, denn in diesem Augenblick kehrt seine Stimme zurück. Dann stehen sie vor dem Gouverneurspalast. Endlich sprudelt es aus ihm heraus, er erzählt ihr alles.

Doch die Frau sagt nichts und geht hinein. Rassul folgt ihr und trifft auf den Gerichtsschreiber. Im nächsten Augenblick ist die Frau verschwunden.

Der Gerichtsschreiber hört ihm endlich zu. Rassul erzählt: Über den Mord an der alten Wucherin Nana Alia und dass er mit dem Geld nur seiner Freundin und ihrer Mutter helfen wollte. Über Dostojewski und Raskolnikov.

Über Moral, Gewissen, Rache, Gerechtigkeit, Freiheit, Unabhängigkeit und den Sinn des Lebens. Und nun möchte sich Rassul dem Gericht stellen und erwartet eine Verurteilung. Doch es ist kein Richter mehr da und auch kein Anwalt. „Eine Kupplerin zu töten, ist doch kein Verbrechen“ in unserer heutigen Zeit in Kabul, meint der Gerichtsschreiber und schickt ihn auch nach Hause. Wie der Roman zu Ende geht, lesen Sie selbst…

Autor

Atiq Rahimi, geboren 1962 in Kabul, studierte Literatur und floh 1984 während des Krieges zwischen Afghanistan und Russland nach Frankreich. 2002 erschien sein erster Roman „Erde und Asche“, der 2004 verfilmt wurde. Für seinen Roman „Stein der Geduld“ erhielt er 2008 den Prix Goncourt. Der auf Französisch geschriebene Roman stand monatelang auf der Bestsellerliste in Frankreich. Heute ist er u.a. als Dokumentarfilmer tätig.

Fazit

Ein interessantes Buch, das neben der Hauptfigur Rassul mit Gedanken und Zweifeln, den Blick auf das zerrissene Land Afghanistan richtet, mit all den aktuellen Problemen. Philosophisch und lesenswert.

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