Yin Yoga: Sanfte Übungen für innere Kraft und Harmonie

Christine Ranzinger: Yin Yoga: Sanfte Übungen für innere Kraft und Harmonie. Mit einem Vorwort von Dr. Robert Schleip

Wilde Mixtur und herrliches Entspannen

Eine der faszinierendsten, wiewohl auch verstörendsten Tatsachen im Rahmen der westlichen Beschäftigung mit fernöstlichem Gedanken- und Leibesgut, ist die Vermengung von Faktoren, die eigentlich gar nicht zusammen gehören. Anders ausgedrückt: man stelle sich vor, einem Japaner ein Handbuch über die katholische Mystik eines Meister Eckhart aufzutischen und diese dann – warum auch immer – mit der jüdischen Kabbala zu kombinieren. Dieser Vorgang mag an sich einen breiten Fundus von Wissen und Hingabe kennzeichnen, zeigt aber auch andererseits, dass man es mit dem philosophischen Ursprung nicht ganz genau nimmt. Wozu diese lange Vorrede? Weil wir es hier wieder mal mit einem an sich sehr guten Yogabuch zu tun haben, das aus dieser Perspektive aber völlig unverständlich die ayurvedisch-indische Tradition mit der chinesischen Medizin kombiniert.

Das ist eigentlich umso erstaunlicher, da die Autorin Christine Ranzinger doch eine anerkannte und äußerst erfahrene Yogaexpertin ist und von deren harmonischem Bewegungsverständnis man sich eine ganze Menge in diesem Buch abgucken kann. Auch wenn die funktionellen Hinweise bisweilen anatomisch (gerader Rücken) und physiologisch (Faszien ohne ihr Verhältnis zur Nervenreizweiterleitung betrachtet) alles andere als vorbildlich sind, sind die Übungen, die Abbildungen dazu und die vielen kleinen, qualitativen Programme ein feines Angebot für die Leserinnen und Leser.

Hinzu kommt, dass der Yogastil, der sich kurz und schlicht auf die weibliche, ruhigere und qualitativere Seite der Doppelnatur des Universums bezieht und Yin genannt wird, eine wohltuende Ausnahme im Rahmen zahlreicher Poweryoga-Praktiken ist. Eine Oase in einer Yogazeit, die ja mittlerweile alles andere als den Geist des Yoga versprüht, sondern eher den Geist der zwanghaften Moderne bedient. Von daher ist dieses Buch schon einmal eine gelungene Aufforderung, dem Körperbewusstsein nahe zu kommen.

Lustig ist, was man auch aus anderen Yin-Yoga-Büchern kennt, dass die seit Jahrtausenden funktionierenden Asana-Begrifflichkeiten ins Deutsche umständlich übersetzt werden. Der Winkel ist seit Jahr und Tag und auch rein bildlich betrachtet der Winkel und wird im Yin-Yoga zum Schmetterling, die Rumpfbeuge im Sitzen wird zur Muschel und der Held in der Vorbeuge zum Schnürsenkel. Naja, das ist zwar Usus in der Yin-Yoga-Szene, aber dennoch unnötig und forciert ein nicht vorhandenes Isolationsmerkmal.

Illustration, Aufbau des Buches, Layout und Struktur sind sehr adressatengerecht. Das Werk ist gut und klar bebildert, einfach und hilfreich beschrieben.  Die Übungen sind sanft vorgegeben und ebenso sanft vorgemacht, eine runde Sache auch aufgrund der schönen Sequenzen, die angeboten werden. Dass am Ende die fünf Elemente der chinesischen Medizin in Kombination mit dem Yin-Yoga aufgetischt werden, ist an sich sogar recht interessant, aber – siehe Eingang – es ist philosophisch betrachtet irreführend.

Fazit:

Ein wohltuendes Yogabuch, das von der Praxis und dem tollen Layout lebt und das seine Schwächen in der nicht immer sauberen funktionellen Erklärung sowie der Mixtur aus asiatischem Gedankengut hat – vielleicht beim nächsten Mal klarer differenzieren, dann wird die Energie noch entsprechender angesprochen werden können.

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