Bordeaux: Ein Roman in vier Jahrgängen von Paul Torday
Inhalt
Frankie Wilberforce ist es bereits mit Anfang 20 gelungen, einen großen Softwarekonzern aufzubauen. Er ist so erfolgreich, dass für ein Privatleben, für Freunde oder gar für eine Familie keine Zeit mehr bleibt. Anfangs ist Frankie, der von seinen Arbeitskollegen und Bekannten stets nur „Wilberforce“ genannt wird, mit der Situation, in der er sich eingerichtet hat, durchaus zufrieden. Seine Pflegeeltern haben sich nie sonderlich für ihn interessiert, und so hat Frankie schon früh gelernt, sich einzig auf sich selbst und auf sein Talent für das Programmieren zu konzentrieren.
Doch durch eine einzige eher zufällige Begegnung beginnt Frankies Leben sich schließlich langsam immer mehr zu verändern. Er macht die Bekanntschaft von Francis Black, einem exzentrischen und charismatischen Landlord, der jedoch mit der Zeit immer mehr verarmt ist. Doch Francis Black scheinen materielle Dinge nicht sonderlich zu interessieren: Stets schart er einige Leute mit Geld, Einfluss und hohem gesellschaftlichem Status um sich und verbringt seine Tage so in seinem Landsitz, welcher sich schon seit Generationen im Besitz der Familie Black befindet. Francis Blacks vorrangiges Interesse gilt indes allerdings weniger gesellschaftlichen Vergnügungen oder Unternehmungen, als vielmehr seiner größten und gleichzeitig einzigen Leidenschaft: Dem Wein.
Und so ist Francis froh, als er Wilberforce kennenlernt, der so ganz anders ist als die jungen Menschen, mit denen Francis sonst tagtäglich zu tun hat. Francis weiht Wilberforce in die Geheimnisse der Weinkultivierung ein, und als Francis eines Tages stirbt, überlegt Wilberforce nicht lange: Mehr aus einer Laune als aus einer festen Überzeugung heraus verkauft er kurzerhand sein millionenschweres Softwareunternehmen und widmet sich fortan einzig und allein Francis Blacks spektakulärem Weinkeller. Diese Entscheidung hat nicht nur für Wilberforce selbst dramatische Folgen…
Ein mitunter gruseliger und dennoch ungemein faszinierender Roman über die Gesellschaft, über Wein und über die Macht von Loyalität und Besessenheit
„Bordeaux“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der nirgendwo so recht zuhause ist und sich aufgrund seiner eigenen Suche nach dem Lebenssinn, der Lebenserfüllung und einer sinnvollen Lebensgestaltung langsam immer mehr einer Leidenschaft zuwendet, die für ihn anfangs lediglich ein angenehmes und sinnvolles Hobby darstellte, ihn nun jedoch immer mehr in ihren Bann zieht und in gewisser Weise zum Diener der eigenen Besessenheit macht.
Diese Leidenschaft ist im Falle von Frankie Wilberforce der Wein, insbesondere der Rotwein. Und auch wenn „Bordeaux“ auf ebenso schockierende wie mitreißende Weise die Folgen jahrelangen Alkoholmissbrauchs skizziert und aufzeigt, welch verheerende Folgen die Alkoholsucht haben kann, so ist der Roman dennoch immer auch in gewisser Weise ein Sittengemälde, ein Roman über gesellschaftliche Strukturen und soziale „Fallstricke“, der anhand eines Einzelschicksals deutlich macht, wie stark ein einziges zufälliges Ereignis ein ganzes Leben oder sogar das Leben mehrerer Personen beeinflussen und unter Umständen sogar zerstören kann.
Der Autor Paul Torday, dessen Debütroman „Lachsfischen im Jemen“ bereits zum Weltbestseller avancierte, bedient sich dabei einer sehr klaren und präzisen Sprache, die im deutlichen Kontrast zur nicht immer klaren Erzählweise des Romans steht. Der Klappentext, in dem es heißt „Nur drei Jahre später ist er [Frankie Wilberforce] ein Wrack“ ließe vermuten, dass Tordays Erzählung einer klaren Linie, einem chronologisch verlaufenden „roten Faden“ folgt. Dem ist nicht so: So beginnt Torday seinen Roman im Grunde am „Ende des Weges“ von Frankie Wilberforce. Der Leser erfährt gleich zu Anfang, wie es um Frankie steht, und dass der exzessive Alkoholkonsum des einst erfolgreichen Unternehmers ihn wohl binnen kürzester Zeit ins Grab bringen wird.
Bereits an dieser Stelle wird dem Leser also einiges abverlangt – er bekommt es mit den wirren und dennoch stets irgendwo nachvollziehbaren Gedankengängen eines Alkoholikers zu tun, und nicht selten mischen sich surreale Elemente in die Erzählung, so dass es dem Leser schwer fällt, klar zuzuordnen, was nun Wirklichkeit ist und was lediglich (dem Alkohol geschuldete) Träume, Gedanken und Illusionen sind. Gerade dadurch ist der Roman ungeheuer spannend, und Tordays Konzept der gleichzeitig zurückblickenden und dennoch immer irgendwie vorausschauenden Erzählung geht voll und ganz auf.
Fazit
Mit „Bordeaux“ gelingt Paul Torday ein zweiter beeindruckender und ungemein fesselnder Roman, der mühelos an „Lachsfischen im Jemen“ heranreicht. „Bordeaux“ ist anspruchsvolle, zeitgenössische Literatur – eine ungewöhnliche und hervorragend erzählte Geschichte, ein bisschen „Horror“, eine große Portion Melancholie, und ein Protagonist, der dem Leser unheimlich nahe kommt und ihm dennoch immer irgendwo fremd bleibt. Kurzum: „Bordeaux“ ist bedingungslos zu empfehlen!