Casanova: Meine Flucht aus den Bleikammern von Venedig

Casanova: Meine Flucht aus den Bleikammern von Venedig

Jugendfrei und Spaß dabei
Was für ein Leben muss man gelebt haben, wenn man Jahrhunderte später als Inbegriff feuchtfröhlicher Erotik und Lebenslust gelten darf?

Wenn der eigene Name zum Synonym für prickelnde Attitüde und charmante Wollust herhalten darf. Ein Lebenstraum und Vorbild aller vogelfreien Männer?

Wohl kaum, wenn man das hier vorliegende Werk, das in der äußerst exzellenten Klassikerreihe Textura im C.H.Beck Verlag erschienen ist, unter die Lupe nimmt.

Denn die Flucht aus den Bleikammern von Venedig ist nebst ihrer Authentizität ein Vorbild für alle Menschen, die sich ihrer eigenen Verantwortung mehr als bewusst sind und ihr Schicksal in die Hände nehmen wollen.

Der im 19. Jahrhundert geborene Giacomo Giralomo Casanova und am Ende des gleichen Jahrhunderts gestorbene Schriftsteller wird in den meisten Berichten heute als solcher, aber auch als Abenteurer und Libertin klassifiziert.

Ersteres wird deutlich in dieser Erzählung, der Libertin, ein geschmeidiges Fachwort für den amourösen Freidenker, erkennt man weniger in ausschweifenden Sexualphantasien oder –parktiken, sondern vielmehr in dieser so herrlich pragmatischen, humorvollen, smarten und cleveren Schreibe.

Wie ein Vogel darf der Leser auf den Schwingen dieser leicht bekömmlich, immer kurzweiligen Unterhaltung folgen.

Eine Geschichte, die das Leben nicht besser hätte schreiben können, denn abseits der vielleicht gerne mal übertriebenen oder ausschweifenden Formulierungen (die aber gerade das Salz in dieser literarische Suppe sind) hat sich diese Geschichte tatsächlich so ereignet.

Die später aufgekommene wissenschaftliche Anzweifelung ist nicht wirklich originell, viel sinnvoller erscheint die tatsächliche Flucht aus dem Gefängnis in Venedig, in welcher der junge Lebemann auf nicht immer ganz ersichtliche Art und Weise wandern musste.

Klar ist aber: Casanova war nie ein Angepasster und fiel, so die Legende, nachdem er in jungen Jahren tatsächlich zum Priester geweiht wurde, einst sturzbetrunken von der Predigerkanzel.

Erst dreißig Jahre später griff der venezianische Schriftsteller dann zur Feder, um diesen Bericht autobiographisch zu veröffentlichen. Die berühmten Memoiren, die dann auch von dem handeln, was die meisten mit ihm verbinden, sind erst später erschienen und im Übrigen in ihrer ursprünglichen Form erst nach dem zweiten Weltkrieg veröffentlicht worden!

Die Textura-Ausgabe der meisterlichen Erzählung besticht durch ein dezentes und doch anregendes Titelbild des Säulenganges der Bleikammern sowie das im Originaltext enthaltene Vorwort des Autors selbst.

Der Übersetzer Kristian Wachinger, der die Arbeit von dem früh verstorbenen Ulrich Friedrich Müller übernahm, garniert das Werk dann mit einem kurzen und simplen Nachwort. Mehr fremde Worte sind auch gar nicht nötig, denn Casanova ist ein Meister seines Faches.

Fazit

Wer einen klassischen Literaten kennenlernen möchte, der mit Friedrich dem Großen und Voltaire ebenso Umgang pflegte wie mit den Päpsten seiner Zeit, der trotz aller verruchten Zeilen, die er schrieb, ein angesehener und kosmopolitisch gewandter Künstler gewesen ist, der sollte dieses Buch in die Hände bekommen.

Die wenigen italienischen oder lateinischen Sentenzen, die im Anhang zudem übersetzt werden, stören nicht im Geringsten, sondern geben dem Geschriebenen einen angenehmen Hauch von Haute volée.

Kein vorehelicher Beischlaf, sondern lebendige Geschichte aus Sicht eines Gefängnisinsassen, keineswegs so rächend wie der Graf von Montechristo oder melancholisch wie die Insassen in Papillon, sondern stets gerissen, gut gelaunt und selbstverantwortlich.

Ein psychologisches wie literarisches Meisterwerk.

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