Der weiße Tiger

Inhaltsverzeichnis
Musical

Back To The 80´s: Chess

Musik

Michael Kiwanuka – Small Changes

Musik

Heinz Rudolf Kunze – Lauschangriff

Aravind Adiga: Der weiße Tiger

Diese brutale, erlebnisreiche, schmerzhafte Lebensreise eines indischen Jungen aus ärmsten Verhältnissen bis hin zum erfolgreichen Unternehmer ist kein moralisches Buch, es ist auch nicht lieb und nett – nein, es ist bitterböse!

Inhalt

Der Junge, der auch so heißt: Munna = Junge, soll es einmal besser haben als sein Vater, der tagein, tagaus eine Rikscha zieht. Munna geht also zur Schule, dort erhält er den Namen Balram Halwai, einen richtigen Namen muss ein Kind ja haben, denn zur Kaste der Halwai, der Zuckerbäcker, gehört er. Wenn wir ihn kennen lernen, wenn sich Munna in sieben langen Briefen selbst vorstellt und die wichtigsten Ereignisse seines Lebens Revue passieren lässt, hat er wieder einen anderen Namen. Jetzt nennt er sich Ashok Sharma, das ist eigentlich eine Frechheit, denn ein Namenswechsel war nur deshalb nötig, weil er seinen Chef Ashok ermordet hatte. Bekannt ist Balram auch als weißer Tiger, eine Ausnahmeerscheinung im Tierreich. Der Schulinspektor nennt ihn so, denn er scheint der einzige intelligente Junge in einer indolenten Dorfschulklasse zu sein. Aber das nützt ihm nichts, Kastenschranken und Armut lassen seinen Schulbesuch ein kurzes Intermezzo bleiben; Balram  ist „halb gar“, wie die große indische Masse, halb gebildet, halb wissend, aber voller Träume.

Dieser Junge jedoch hat Ehrgeiz, gibt sich nicht mit einem Leben als Teehausdiener zufrieden, er lernt Auto fahren und wird Fahrer. Balram wird Fahrer für Ashok, einem Amerikarückkehrer, Sohn des Großgrundbesitzers in seinem Dorf, und dessen Frau Pinky Madam. In Delhi lernt Balram dann die Welt des modernen Indiens kennen, eine neue Welt für ihn. Die Herkunft aus dem eigenen Dorf des Arbeitgebers ist wichtig, denn so weiß die Familie, wo ihr neuer Fahrer herkommt und hat ihn in der Hand. Man kennt Balrams Familie, weiß, wo sie wohnt.

Doch Balram ist ein weißer Tiger, er durchschaut das Spiel der Abhängigkeiten, mischt mit und befreit sich aus dem „großen indischen Hühnerkäfig“, er ist nicht mehr duldsam wie die Hühner in den allgegenwärtigen Drahtkäfigen auf den indischen Märkten. Balram verrät seine Familie, seine Kaste, lügt, betrügt, stiehlt und mordet – und so gelingt ihm der Aufstieg. Letztendlich ist er Chef eines Start-ups in der indischen Boom-Metropole Bangalore.

Zum Inhalt

Die stärksten Szenen dieses detailfreudigen Buches sind die, in denen Ungerechtigkeit als normal und schicksalhaft geschildert wird. Balrams Vater stirbt an Tuberkulose auf einem Krankenhausflur, weil sich kein Arzt blicken lässt. Als Pinky Madam in volltrunkenem Zustand ein Kind überfährt, wird selbstverständlich von Balram gefordert, dass er ein Schuldeingeständnis unterzeichnet. Nur ein Zufall rettet ihn davor, für seine Herrin ins Gefängnis zu gehen. Aber Balram ist nicht nur Opfer, Intrigen gegen andere Diener sind offenbar lässliche Sünden. Und zum Schluss ist er nicht etwa einer, der aufbegehrt, der sich wehrt und für seine Flucht aus dem Hühnerkäfig kämpft, zum Schluss ist Munna/Balram/Ashok selbst Teil des Systems, ein immer noch halb garer, aber jetzt um so überheblicherer Sieger in seinem ganz privaten „rat race“.

Fazit

Was für ein Buch: bestürzend, moralisch äußerst fragwürdig, witzig, schnell. Wie durch ein Brennglas wird die indische Gesellschaft analysiert und bloßgestellt. Aravind Adiga hat nicht unerhebliche Teile seines 37jährigen Lebens in Australien und in Großbritannien verbracht, was sicherlich zu seinem distanzierten Blick beigetragen hat. Heute lebt er in Mumbai, Der weiße Tiger war sein erster Roman, sein zweiter „Zwischen den Attentaten“ erschien 2009.

 

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