Golem und Dschinn

Helene Wecker: Golem und Dschinn

Magische Versöhnung

Was erst mal gar nichts mit dem tollen, bewegenden und sehr unterhaltsamen Hörbuch Golem und Dschinn zu tun hat, ist die Tatsache, dass die Autorin dieses Werkes, Helene Wecker, Kreatives Schreiben studiert hat. Eine Tatsache, die bei amerikanischen Autoren und Autorinnen in letzter Zeit vehement und gehäuft auftritt. Nicht, dass es schlimm ist; ganz im Gegenteil, das Ergebnis ist ja umwerfend. Es fällt halt einfach nur auf und macht einen melancholisch, wenn man an Goethe oder Heine denkt, wie sie in in Hörsälen saßen und kreatives Schreiben studierten.

Genug der plumpen Vorrede, das Debüt der Autorin mit dem jüdisch-arabischen Hintergrund war und ist nicht nur ein dickes Buch, sondern auch ein dicker Erfolg. Dieses Märchen in moderner Form, das am Wendepunkt der Moderne, nämlich am Ende des 19. Jahrhunderts, in New York spielt, ist nicht nur ein Feuerwerk von klassischen Zutaten eines bewegenden Romans (persönliche Schicksale, soziokulturelle Verbindungen, verschachtelter Spannungsbogen), sondern auch die Erschaffung von zwei Zauberwesen, die just jenen Kulturkreisen angehören, deren Nachkomme die Autorin selbst ist.

Dass hier ausgerechnet der jüdische Mystizismus in Form des Golems und der arabische in Form des Dschinns aufeinanderprallen ist kein Zufall, sondern eine wunderschöne Allegorie für die mögliche Verbindung dieser beiden Welten und den Frieden, den beide im Herzen tragen. Und deswegen sind die beiden Hauptpersonen Chava und Ahmad auch so verpackt als wären Sie Du und Ich und nicht Wesen aus Ton oder Gas; letztlich stellt sich die Frage, ob das nicht irrelevant ist in einer Welt organischer und anorganischer Koexistenz? Das wäre zumindest mal eine der Fragen, die man nach dem Genuss dieses Werkes in die Welt rufen könnte.

Was das Buch so schön macht, sind neben dem magischen Plot der Zauberwesen und ihrem Zurechtfinden in der Welt plus der Aufgabe sich gemeinsam gegen einen Widersacher zu stellen die zahlreichen weiteren Personen, die in ausführlichen Beschreibungen mit ins Boot der Geschichte geholt werden. Und das sind Menschen mit Herz und Verstand, mit Tiefe und Kraft, mit Angst und Lust. Gemeinsam mit den Zauberwesen erzählen sie nicht nur den Handlungstrang, sondern auch vielschichtige Motive der jüdischen, arabischen und amerikanischen Kultur und Geschichte. Besonders die Religionen bekommen berechtigterweise, fast schon zwangsläufig, einen kritischen Beigeschmack, oder wie soll sonst jemand den Irrsinn des nahen Ostens unter der Fuchtel dogmatischen Religionsverständnisses abarbeiten, als sie als solche zu verdammen – übrigens analytisch einwandfrei nachzulesen bei C.G. Jung.

Die Hörbuchfassung ist herrlich. Clever  und smart in einem Slimcase verpackt und wunderbar layoutet begeistert auf den sechs CDs Boris Aljinovic, besser bekannt als Berliner Tatortkomissar Felix Stark. Was er richtig toll macht, sind die Pausen für die Höhen und Tiefen der Erzählung. Nicht nur plappern, sondern der Magie auch den stillen Nachklang geben.

Fazit:

Eine sehr gelungene Umsetzung eines fantastischen Literaturdebüts, bei dem man als Käufer alles richtig machen wird. Es sei denn, man hat kein Faible für die Magie des Lebens. Muss man ja heutzutage tatsächlich erwähnen, in einer bleiernen Welt. Dies hier hilft als Ausweg!

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