Nackige Engel von Max Bronski
Inhalt
Wilhelm Gossec ist ein grantiger, durchaus schon etwas heruntergekommener Antiquitätenhändler, der in München lebt und arbeitet. Böse Zungen würden Gossec wohl eher als „abgewrackten Trödler“ bezeichnen. Doch eines kann man Gossec nicht absprechen: Auch wenn in seinem Leben so einiges schief gegangen ist, den untrüglichen Sinn für Gerechtigkeit hat er sich stets bewahrt. Eines Tages kommt Gossec im Verlauf einer Diskussion mit seinem Freund Julius auf eine verwegene und gleichzeitig gefährliche Idee – von dem Risiko, welches seine Idee birgt, ahnt Gossec zu dieser Zeit freilich noch nichts. Dabei noch zu erwähnen, dass Gossecs Idee überhaupt erst durch den Genuss von einigen Litern Weißbier entstanden ist, ist im Grunde unnötig.
Und so setzt Gossec seinen Plan, Julius zu beweisen, dass der Münchner an sich heute immer noch genauso anfällig für den „Führer“ ist wie vor 75 Jahren, kurzerhand in die Tat um. Gossec verkleidet sich also (mehr schlecht als recht) als Hitler und marschiert in Wehrmachtsmantel, Stiefeln und Offiziersmütze mit Totenkopf-Emblem durch Münchens verlassene Straßen. Doch Gossecs „kleiner Jux“ hat ungeahnte Folgen: Bereits am nächsten Tag sind die Zeitungen voll von Gossecs Auftritt (Schlagzeile: „Hitler in München!“) und Gossec wird von zahlreichen zwielichtigen Gestalten verfolgt. Dumm nur, dass die Münchner Neonazi-Szene Gossecs Auftritt für einen Scherz des bekannten Kabarettisten Wolfertshofer hält – schon kurze Zeit später ist Wolfertshofer tot, und damit fangen die Probleme von Gossec erst so richtig an…
Ein kurzweiliger Kriminalroman, der die bayerische Landeshauptstadt sowohl von ihrer skurrilen als auch von ihrer dunklen Seite zeigt
In Max Bronskis Kriminalromanen geht es immer in irgendeiner Weise um München und um die Charaktere, die sich in dieser manchmal etwas eigenartigen Stadt eingerichtet haben. Dabei steht meist weniger der Kriminalfall im Vordergrund des Leserinteresses, als vielmehr die genaue Beschreibung der bayerischen Eigenheiten und der Menschen, für die diese Eigenheiten Teil des täglichen Lebens sind. In anderen Kriminalromanen von Bronski stehen meist bestimmte Gesellschaftsschichten im Vordergrund, doch während etwa in „Schampanninger“ die Münchner Schickeria im Mittelpunkt der Erzählung steht, bekommen in „Nackige Engel“ alle sozialen Schichten ihr Fett weg.
Gossec, der mittlerweile bekannte „Held“ aus Bronskis Romanen ist dabei vielmehr ein sympathischer Antiheld als eine klassische Identifikationsfigur – er hat sich selbst nicht ganz im Griff, ist dem Alkohol sehr zugetan, und seine Geschäfte laufen schlecht, um nicht zu sagen miserabel. Aber: Gossec hat einen messerscharfen Verstand und er ist im Grunde jemand, der nichts mehr zu verlieren hat, und genau diese Kombination sorgt auch dafür, dass er in regelmäßigen Abständen in „dubiose Geschichten“ verwickelt wird. In „Nackige Engel“ verkörpert ein alter Freund von Gossec den klassischen, hinterhältigen „Schurken“, dem jedoch nur schwer etwas nachzuweisen ist. Die anderen Charaktere in „Nackige Engel“ sind meist „waschechte Bajuwaren“, die im Verlauf der Erzählung auch dazu beitragen, dass das Bild, welches Bronski von München zeichnet, auf den Leser äußerst glaubwürdig wirkt.
Wer dann am Ende eigentlich wirklich der Mörder des Kabarettisten Wolfertshofer war, rückt im Verlauf der Geschichte dann auch immer weiter in den Hintergrund. Für den Leser ist dies jedoch nicht weiter schlimm, denn bis zu der letztlich doch relativ plötzlichen Überführung des Täters überzeugt „Nackige Engel“ durch eine fesselnde und nicht alltägliche Sprache, eine obskure Geschichte um eine angebliche „Geheimloge“, die sich letzten Endes als harmloser „Networking-Stammtisch“ einiger alter Herrn entpuppt und nicht zuletzt auch durch die genaue und klare Beschreibung der Münchner Viertel und der kulinarischen Verlockungen Bayerns.
Fazit
„Nackige Engel“ macht Spaß und wird allen Freunden von etwas kauzigen Ermittlern und Charakteren gut gefallen – ein gelungener Kriminalroman vor der schönen aber mitunter dennoch abschreckenden Kulisse Münchens. Einziges Manko des Romans: Der Stoff hätte durchaus noch mehr hergegeben, die auf etwa 200 Seiten erzählte Geschichte wirkt deshalb teilweise leider etwas zu „hastig“ erzählt, was dem Lesevergnügen insgesamt jedoch keinen Abbruch tut.