Raum

Emma Donoghue: Raum

Der Verlag wirbt auf dem Umschlag für dieses Buch mit einem Zitat von Anita Shreve: „Raum ist mit nichts zu vergleichen, was ich bisher gelesen habe.“ Auch wenn solche Werbeaussagen immer mit Vorsicht zu genießen sind, hier ist sie durchaus wahr. Raum ist ein ganz ungewöhnliches Buch!

Inhalt

Jack lebt mit Ma in Raum. Hier spielen sie zusammen, hier essen sie, waschen sich und schlafen. Raum hat eine Tür, die immer zu ist, ein Oberlicht und ist 12 Quadratmeter groß. Raum ist alles, was Jack kennt, hier lebt er, hier wurde er geboren. Ein Fleck auf Teppich erinnert daran. Wenn Jack nicht mit Ma spielt, darf er fernsehen. Das tut er sehr gern, er liebt die Cartoonfiguren, besonders Dora, aber er weiß auch, das alles im Fernsehen nicht echt ist, echt sind nur er, Ma und Raum.

An Jacks fünften Geburtstag erzählt ihm Ma allerdings, dass es wirklich ein Draußen gibt, dass dort andere Kinder leben und dass es das meiste, was er im Fernsehen sieht, auch wirklich gibt. Ma hatte ihn belogen, jetzt entlügt sie ihn. Ma möchte zurück ins Draußen, Jack kann es sich nicht vorstellen, denn Raum ist alles was er kennt. Aber Ma sagt, dass er jetzt alt genug ist, um ihr bei der Flucht zu helfen.

Dazu müssen sie Old Nick austricksen, Old Nick, der immer nachts kommt und dann muss Jack im Schrank schlafen. Ma will nicht, dass Old Nick ihn sieht. Und Old Nick hat auch kein Interesse an Jack, er macht Bettquietscher. Wenn Jack nicht schlafen kann, zählt er sie.

Immer sonntags bringt Old Nick Sonntagsguttis, zu viel dürfen sie sich aber nicht wünschen, mal eine Hose, mal Schokolädchen. Viel gibt es nicht und auch das Essen ist immer knapp. Ma macht daraus ein Spiel, Cornflakes werden abgezählt.

 Jack findet sein Leben mit Ma im Raum schön. Wie besonders sein Leben mit Ma wirklich war, lernt Jack, als ihnen wider Erwarten die Flucht tatsächlich gelingt. Das Draußen ist so anders als alles, was er kennt. So schnell er auch zu lernen versucht, unter fachkundiger Unterstützung von Psychologen und Ärzten, er taumelt von einem Irrtum, einem Fettnapf, einem Fehler in den nächsten.

Auch Ma, die eigentlich Sharon heißt und vor ihrer Entführung Studentin war, findet sich nach den sieben Jahren in Isolation nur schwer wieder zurecht. Und die Mitmenschen, Familie, Journalisten, Reporter, Menschen auf der Straße, sind keineswegs immer freundlich oder gar hilfsbereit.

Zum Roman

Der Großteil des 410 Seiten dicken Roman beschreibt das mühsame Zurechtfinden von Mutter und Sohn  in der wahren Welt. Das ist hoch spannend und mitunter auch erhellend, wenn der Junge viele Dinge hinterfragt, die nur er als nicht selbstverständlich nimmt, da er sie ja noch nie zuvor kennengelernt hatte.

Intensiver und zum Teil kaum auszuhalten ist der klaustrophobische erste Teil. Aus der Sicht des Jungen wird erzählt und wir begreifen, wie sehr Ma versucht, ihrem Sohn eine schöne Kindheit zu schaffen, wie sehr sie versucht, Struktur in die Tage zu bringen und wie sehr sie darum kämpft, ihren Sohn zu beschützen.

Fazit

Ein beklemmender, aufwühlender Roman, der die Ereignisse um den Österreicher Fritzl und ähnlich gelagerte Fälle mit einer ganz eigenen Tragik versieht. Was bedeutete diese Gefangenschaft als Sexsklavin einer Frau für die Kinder, die in diese Situation hineingeboren wurden?

Ein wenig störend finde ich die Fehler in der Sprache, besonders in der Flexion, wir wissen doch, dass ein Fünfjähriger spricht. Das muss dem Leser doch nicht immer wieder durch Worte wie „verschwindet“ oder „geschneidet“ gesagt werden.

Andererseits ist die Idee, Dinge zu personalisieren, in dem man den Artikel weglässt, sehr gelungen. Für Jack ist Raum Raum und Bett Bett, denn er kennt ja nur dieses eine. Dieser Roman erzählt wirklich eine Geschichte, die man nicht so schnell vergisst und über die man noch lange nachdenken muss.

Schreibe einen Kommentar