Monopoly in Prenzlauer Berg

Monopoly in Prenzlauer Berg von Frank Ewald

Inhalt

Kurz nach dem Fall der Mauer vor dem Brandenburger Tor, der Kanzler spricht zu seinem Volk. Ein Millionenpublikum.Touristen hämmern Steine aus der Mauer, Andenken fürs Wohnzimmer. Ordnungskräfte auf verlorenem Posten, die Masse schiebt und drängt. Mittendrin Max Steinert, 26 Jahre jung, Student des Gartenbaus, ein kleines Licht.
Er kämpft um Raum, festen Boden unter den Füßen, ein paar Zentimeter zum Luftholen, wird an den Rand der Absperrung gedrängt, der Zaun bricht. Bernhard, der abgeklärte Kameramann des DDR-Fernsehens, zieht ihn in seinen Barkas. Es kommt zum Streit: Der rebellische Student aus Ost-Berlin prangert Mitmachen und „Stillhalten“ in der DDR an, Bernhard ist genervt:
„Ich meine, dass das Meer im Westen genauso rau und ungerecht ist, wie es das Meer im Osten war. Wieder wird es Wellen geben, wieder wird es Klippen geben und wieder wirst Du sie umsegeln müssen. Und wenn Du Dich dabei wieder zu dämlich anstellst, mein lieber Max, so wirst Du einfach absaufen.“

Doch Max Steinert findet sich in einer Seitenstraße der Schönhauser Allee recht schnell nicht im Meer, sondern in einem Haifischbecken wieder… 

Go East – Go Wilde

Als heruntergekommene Altbausubstanz wird das Haus, in dem er wohnt, von der Wohnungsbaugesellschaft an einen solventen westdeutschen Investor, die von Blaubluts, verkauft. Doch als besonders edel erweisen sich deren Geschäftsmethoden nicht, insbesondere als Steinert vom Leiter des Umweltamts gedrängt wird, von dem im Altschuldenhilfegesetz garantierten Vorverkaufsrecht der Mieter Gebrauch zu machen.
Das Spiel um 11 bereits verkaufte Häuser in Prenzlauer Berg wird eröffnet, und unter Zugzwang stehen bald nicht nur die kampfbereiten Mieter, sondern auch der Baustadtrat, die Wohnungsbaugesellschaften und Berliner Senatoren. Köpfe rollen, gerissene Anwälte schalten sich ein. Ein Zurück gibt es nicht mehr, der Einsatz war bereits zu hoch. Zwischen vermeintlichem Sieg und überraschender Niederlage ist es hier nur ein kleiner Schritt, und bezahlt wird nicht mit Spielgeld.
Nicht zuletzt ist da noch der Millionenkredit der Banken… 

Fazit

Die Perspektive des Autors ist interessant. Er berichtet aus der Zeit nach dem Wegfall des „antifaschistischen Schutzwalls“, als das bis dahin kommunal verwaltete Volkseigentum zum Investitionsprojekt des internationalen Großkapitals wurde. So vollzog sich in den frühen neunziger Jahren in Berlin ein rasanter Transformationsprozess, an dessen Ende die Fassaden nicht mehr grau und die Hauptstadt repräsentativ war.
Den Fuß auf der Bremse hat Frank Ewald dabei nicht, er schreibt fortlaufend. Kein Absatz, kein neues Kapitel, denn wer sich nicht bewegt, hat schon verloren. So entsprechen sich Form und Inhalt in diesem Buch.

Max Steinert ist eine Figur, die sich im Grundkonflikt zwischen Anpassen und Aufbegehren, zwischen den alten Werten des „real existierenden Sozialismus“ und den neuen der „Diktatur des Geldes“ bewegt und entwickelt. Genau das macht für mich den Reiz seiner Erzählung aus, abgesehen davon, dass das Millionenpoker um die Filetstücke im Herzen Berlins an sich ein spannendes Thema ist.
Empfehlenswert für Leser, die diese Zeit in Prenzlauer Berg (Mitte oder Friedrichshain) miterlebt haben oder sich dafür interessieren.

1 Gedanke zu „Monopoly in Prenzlauer Berg“

  1. Mir fiel das Buch erst 2018 in die Hände. Obwohl ich schon häufiger mit „Max Steinert“ sprach, immerhin leben wir seit mehr als 30 Jahren in derselben Straße, nutzen denselben Hof, getrennt durch einige Mülltonnen. Und dennoch wußte ich nichts von dieser so treffend erzählten Veröffentlichung. Zum Glück wurde unser Haus nicht von den „Blaubluts“ erworben, doch Skandinavier verhalten sich nicht wesentlich anders. So erfolgreich der Roman zu enden scheint, ist es heute für den Max recht traurig. Nach dem einzelne Mitglieder aus der GbR austraten, wegzogen und ausgezahlt werden wollten (berechtigter Weise), war Steinert gezwungen das Haus zu verkaufen. Es kamen die unglaublichsten „Interessenten“ aus aller Herren Länder mit Angeboten wie „…wir legen noch 500.000,- drauf und auch sie verlassen das Haus“…alle raus und Luxussanierung… Inzwischen entschied sich Max Steinert das Haus sozial verträglich an eine private Wohnungsbaugesellschaft zu veräußern. Alle Mieter würden bleiben und die Miete für Max Steinert würde sich nur fast verdoppeln, aber er könnte in seiner Studentenbude bleiben (die natürlich dem heutigen Standard entsprechend ausgebaut ist). Doch nun tritt plötzlich die Stadt wieder auf den Plan und will „ihr“ Vorkaufsrecht ausüben. Alles auf STOP, Geld fließt nicht, Steinert kann die ehemaligen GbR-ler nicht auszahlen und findet sich vorm Gericht wieder mit einer Schadensersatzforderung in Händen.
    Die naiv klingende Herangehensweise an die „neue Welt“ wird lyrisch und wertfrei geschildert. Als Zeitgenosse bedauere ich die Leute, die uns erklären wollten, wie man arbeitet, weil diese nie erfahren durften, wie sich Leben anfühlt nur um des Lebenswillens. Ohne ständigen Druck Geld beschaffen zu müssen, sei es durch kaum vorhandene, befriedigende Erwerbstätigkeit, oder durch fehlerfreies Ausfüllen der richtigen Formulare. Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass es auch nicht schön ist, wenn die Welt in Bulgarien zu Ende ist.
    Einzig zu bemängeln bleiben mir die häufigen Satzfehler, auch noch in der dritten Auflage. Was aber keinen Sternabzug gibt, da dafür weder Max noch Frank die Verantwortung allein tragen.

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