Zorngebete

Zorngebete

Saphia Azzeddine 

Jbara lässt sich für einen Granatapfeljoghurt und Schokoladenkekse vögeln. Sie wohnt mit ihrer Familie in den Bergen Marokkos und hütet Schafe. Ihr Vater nervt sie durch seine Bigotterie, ihre Mutter sagt nichts, betet und heult leise in der Küche vor sich hin, ihre Geschwister sind noch klein. Die Familie wohnt in einem Zelt, ohne Strom, ohne fließendem Wasser.

Miloud, ihr Kumpel, bringt ihr den heißgeliebten Granatapfeljoghurt aus der Stadt mit. Weil sie kaum mit ihren Eltern reden kann, tut sie es mit Allah, so wie wahrscheinlich viele Menschen oftmals Stoßgebete zu Gott schicken, wenn das Leben nicht so läuft, wie sie es sich erhoffen.

Jbara schickt Zorngebete zu Allah

Jbara liebt Allah auf ihre Weise und er liebt sie, auf seine Weise. Gerade beschwert sie sich wieder bei Allah über ihr dumpfes und langweiliges Leben, das sie arm geboren doch zu jung wäre, mit diesen Eltern „bestraft“ zu sein und träumt davon mit dem Bus, den sie immer von weitem auf der Straße vorbeifahren sieht, mit zu fahren. Warum kann es Allah nicht schnell mal so einrichten, dass der Bus hält und sie in den Bus hineinschauen und die Fahrgäste betrachten kann? Nie passiert etwas in dem Moment, in dem Jbara es sich so sehr wünscht.

Jbaras Leben ändert sich

Eines Tages fällt plötzlich ein Koffer vom Busdach herunter. Jbara ist ganz aufgeregt und öffnet den rosafarbenen Koffer und damit einen neuen Lebensabschnitt. Inzwischen ist sie von Miloud schwanger und da sie nun keine Jungfrau mehr ist, wird sie von ihrer Familie verstoßen. Mit dem Geld, das sie in den mit Glitzersteinen besetzten Jeanstaschen gefunden hat, kauft sie sich ein Busticket und fährt in die Stadt, Allah sei Dank.

Aus Jbara wird Sheherazade

Da sie keine Schule besuchen konnte und weder lesen noch schreiben gelernt hat, landet sie in einem kleinen Café als Putzfrau und verkauft wieder ihren Körper um Geld zu sparen. Schnell hat sie herausgefunden, dass die meisten Männer so sind wie Miloud und findet nichts dabei, sich für ihre Liebesdienste bezahlen zu lassen. Dadurch wird ihre Lebenssituation leichter, sie isst regelmäßig und allmählich wird aus dem „hässlichen Entlein“ ein schöner Schwan. Jbara wechselt die Stadt und arbeitet nun als Dienstmädchen einer reichen Familie, doch auch hier stellen ihr die Männer nach. Sogar der Sohn des Hauses, der sie nicht einmal dafür bezahlt, was sie zunächst sehr ärgert.

Doch als sie sich zu Sheherazade macht, glaubt sie dazuzugehören, zur Gesellschaft und steigt auf zur besten Nutte der Bar. Allah wird nicht vergessen, wenigstens er versteht Jbara, hofft sie. Doch die „Gespräche“ mit ihm werden seltener und gerade als er ihr Abdelkrim als gutes Zeichen schickt, erkennt sie ihre Chance nicht und stürzt tief….

Autorin:

Saphia Azzeddine wurde 1979 in Agadir, Marokko geboren. Mit neun Jahren kam sie nach Frankreich. Sie studierte Soziologie und verbrachte ein Jahr in den USA. Als Drehbuchautorin und Schriftstellerin schreibt sie so erfolgreich, dass ihr Roman „Zorngebete“ als Theaterstück inszeniert und ins Spanische, Italienische und Schwedische übersetzt wurde. Ihr zweiter Roman „Mein Vater ist eine Putzfrau“ wurde verfilmt und war auch in deutschen Kinos zu sehen.

Fazit:

So kann man die Lebensumstände im heutigen Marokko auch beschreiben: witzig, frech, frivol, aber auf einem gewissen Niveau. Die krassen Gegensätze des Landes beschreibt Saphia Azzeddine mit den Figuren der Jbara als Hirtin, Jbara als Sheherazade und dann als Khadidja. Ibara, die Arme vom Land mit ihren Schafen, Sheherazade, die Nutte aus Tausend und einer Nacht von Luxus umgeben, Khadidja, die zur Frommen „gemacht“ wird, aber trotzdem frei bleibt, wie die erste Frau des Propheten.

Zorngebete schickt Jbara zu Allah, den sie im wahrsten Sinne anbetet und liebt. Aber wenn sie sich über ihr Schicksal schämt, vergisst sie lieber zu beten, doch sie weiß immer, was sie tut.

Indirekt zeigt uns die Autorin ein Spiegelbild der heutigen Gesellschaft Marokkos. Armut auf dem Land und Reichtum, den die reichen, jungen Leute in den Städten zur Schau stellen, mitsamt den negativen Folgen, die Jbara sogar ins Gefängnis und auch dazu bringen ihr Kind auszusetzen. Die falschen Imame und Marabouts versprechen den armen Leuten ins Paradies zu kommen, wenn sie nur beten und mit großzügigen Spenden die Imame und Marabouts immer reicher werden lassen.

Wen die lockere Sprache nicht stört, findet in diesem Buch die mutige Beschreibung der Situation im heutigen Marokko. „Echt geil.“

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