Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Ray Bradbury: Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Mehr als 451

Es kann Schlimmeres geben, als reduziert oder zumindest ständig auf einen Weltbestseller angesprochen zu werden. Ray Bradbury, der 2012 gestorbene und von vielen Enzyklopädisten ungerechtfertigter ausschließlich als Science-Fiction und Fantasy-Autor bezeichnete Schriftsteller steht eben nun mal für das Überfliegerwerk Fahrenheit 451. Allein an diesem sollte man eigentlich sehen, dass es sich um die, wenn auch bittere Realität handelt – das kann man noch so sehr als beste Dystopie des 20. Jahrhunderts bezeichnen, Fantasy ist jedenfalls was Anderes. Es geht in seinen werken um geistige Tyrannei, also das Wesen unserer Moderne. Wir lesen und hören vorgefertigte Sachen in einer vorgefertigten und fest montierten Welt.

Sei es drum, der gute Bradbury hat noch deutlich mehr zu bieten, unter anderem sein Debüt, die herrlichen Mars-Chroniken (beeinflusst von zahlreiche Comicsuperhelden) oder aber auch den Roman, der nun bei Diogenes reüssiert: Das Böse kommt auf leisen Sohlen.

Allein am deutschen Titel lässt sich gut erkennen, wann der Roman geschrieben und wann er dann kurze Zeit später auch ins Deutsche übersetzt worden ist. Denn um aus Something Wicked This Way Comes Das Böse auf den leisen Sohlen zu machen – und nebenbei dem Originalzitat, das von Shakespeare stammt, blind zu entfliehen -, bedarf es ja schließlich einer gefährlich-gemütlichen wirtschaftswunderdeutschen Bräsigkeit. Unschön, aber das tut dem Inhalt nicht weh, der so gelb wie eine Zitrone aufgeht, wie Bradbury den Himmel über ihm an einer Stelle des Romans beschreibt.

Denn weniger die exakte Übersetzung als die gruselige Atmosphäre sind es, die transportiert werden. 13jährige Jungs (Jim und Will), die keine Horrorfilme sehen, sondern Männer mit Tätowierungen, die auf einem Jahrmarkt arbeiten. Ach, als hätte Bradbury hier alle Klischees bedient, sind tatsächlich dies diejenigen, von denen die Gefahr ausgeht; aber in einer unheimlich komplexen und faszinierenden Art und Weise, die für Bradburys Schaffen so typisch ist. Mit Hilfe eines Karussells können nämlich die Jahrmarktdirektoren und Artisten, allen voran Mister Dark, das Alter der Menschen verändern. Huh, gibt’s das denn? Anscheinend schon und so sind Will und sein Vater Charles fasziniert von den Möglichkeiten, sich selbst diesem unheimlichen Akt der Entwicklung hinzugeben.

Und richtig spannend wird es natürlich dann, wenn die Bösen selbst ihre Beobachter entdeckt haben und Ihnen hinterherschleichen, um sie für ihr zu viel an Wissen zu bestrafen. An der Stelle lassen wir das Ende offen, gratulieren den Käufern schon mal für einen großartiges Fang, den sie da machen; für Dichte, Tiefe, Spannung und – wie eingangs erwähnt – Wirklichkeitsbeschreibung in allegorischer Form.

Fazit:

Bradburys Sprache ist kurz, knackig und voller würziger Metaphern, derbe und kraftvoll wie Bohnen mit Speck im wilden Westen. Bradburys Storys sind tief, weit, schwer und dunkel wie die Augen des Propheten, in denen man sich zu allen Zeiten verlieren kann. Oder aber sich wiedererkennen und verwandeln kann. Wenn man kann.

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