Die Pflanzen im Haus

Karlheinz Rücker: Die Pflanzen im Haus

Frühling im November

Zimmerpflanzen in all ihrer Ausbreitung sind ein typisches Kennzeichen der Moderne. Nicht dass auch schon in früheren Zeiten die Menschen Pflanzen innerhalb ihrer Behausungen hielten, die Vielfalt, die Möglichkeiten und vor allen Dingen die Notwendigkeiten sorgen aber für einen wahren Boom. Welche Wohnung, mal anders gefragt, hat denn eigentlich keine Pflanze im Hause stehen? Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass der Garten, die Terrasse oder der Balkon beim Wohnungsmarkt, der, weil elitärer, auch knapper wird, nicht immer vorhanden sind. Und wer also traurigerweise auf den Zugang zur frischen Luft verzichten muss, der operiert eben mit den Exoten im Inneren.

Und derer gibt es mittlerweile ja reichlich, ein ganzes Lexikon, das so schwer ist, dass man damit eine schwere Zimmerpalme unterstützen könnte, aus dem Ulmer-Verlag bietet umfangreiche Aufklärung. Bereits 1982 bot der Autor Karlheinz Rücker die Erstausgabe an, nun liegt eine 2005 revidierte Ausgabe zum deutlich günstigeren Preis vor. Fast 500 Seiten warten für ein ganzes Pflanzenliebhaberleben auf intime, ausführliche und wissenschaftlich plausible Erklärungen. Besonders angenehm ist aber gerade der in Biowissenschaften so selten gewordene Plauderton. Wenn Riesen Zwerge bleiben (das Nichtwachsen in der Natur eigentlich großer Gewächse) ist nur eine von vielen Überschriften, die den einfachen Leser ansprechen darf. Natürlich fehlt es nicht an botanischem Expertenwissen, aber das Ganze ist mundgerecht und anwendungsfreundlich aufbereitet.

Andererseits birgt das aber auch Gefahren, wenn man einfach so drauf losschreibt und die Struktur dabei ein wenig vernachlässigt. In den 1980er Jahren war das sichelrich noch state of the art, aber bei der Neuauflage wäre eine Überarbeitung sicher wünschenswert gewesen. So beginnt kein Unterkapitel und auch kein größerer Abschnitt mit Beginn einer neuen Seite, alles geht nahtlos ineinander über. Besonders schmerzlich macht sich dies beim Lexikon der Pflanzen bemerkbar, die mit Fotos, Text und Pflegemerkmalen lückenlos aufeinander folgen und wo man bisweilen bei drei Pflanzen pro Seite den Überblick verlieren kann.

Gut dreihundert Seiten im eigentlichen Lexikon für 450 Gattungen, die mit zahlreichen Arten und Unterarten vorgestellt werden, so dass das Buch im Endeffekt über 3500 Arten Platz bietet. Im Populärbereich sicherlich ein einmaliges Angebot. Die Grundlagen der Zimmergärtnerei auf den ersten 170 Seiten sind von der Übersicht allerdings optimaler: von Pflegetipps, Standortgeheimnissen, Vermehrungsoptionen und besonderen Fachkenntnissen wie Hydrokultur, Substrate oder Zimmerbonsai bis hin zu Tipps für den Umgang beim eigenen Urlaub ist alles vertreten, nachvollziehbar und verständlich aufbereitet.

Fazit:

Ein praller Führer, der mit dem besonders günstigen Preis aufwarten kann. Vorteile hat das Lexikon definitiv in schönen, klaren Fotos und ebenso sinnigen Zeichnungen, und auch mit dem gut abgehangenen und lecker formulierten Wissen des Autors und der theoretischen Wiese, auf der sich jeder Interessierte in Ruhe lümmeln darf. Verbesserungswürdig sind eindeutig die Struktur des Lexikons selbst und deren Aufteilung. Einfach alphabetisch nach lateinischen Fachnnamen sortiert muss man theoretisch das ganze Buch durchblättern, sucht man beispielsweise Zimmerpflanzen, die im Schatten, in der Vollsonne oder wo auch immer optimal gedeihen können. Da wäre mehr Struktur top gewesen. An der Freude und Liebe zur Zimmergärtnerei wird das aber nichts ändern, das Buch ist definitiv eine solide Grundlage hierfür.

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