Imma Müller-Hartburg: 1001 nutzlose Verbote in der Schwangerschaft: Was in der Schwangerschaft wirklich wichtig ist
Auf die innere Stimme hören
Dass ausgerechnet eine Ärztin einen – sagen wir mal – alternativen Ratgeber zum Thema Schwangerschaft schreibt, ist ja eher ungewöhnlich. Normalerweise wird ja die akademische Kaste in den Vergleichswerken als Gegner verstanden. Doch der Gynäkologin und Oberärztin gelingt ein gesunder – im wahrsten Sinn des Wortes – und ansprechender Mix aus Information, Wissenschaftsgrundlage und echter und ganzheitliche Anteilnahme am Leben selbst.
1001 nutzlose Verbote in der Schwangerschaft ist mittlerweile zum vierten Mal im Goldegg-Verlag erschienen, ein Beleg für den interessanten Inhalt. Wobei festzuhalten ist: 1001 Verbote werden weder chronologisch noch numerisch abgearbeitet; stattdessen handelt es sich um den üblichen Kapitel-Fließtext für Fachbücher, der eben die meisten und gängigsten, aber keine 1001 Verbote aufgreift und behandelt. Ist auch gut so – so wirkt es authentischer.
Frau Müller-Hartburg zeichnet sich in erster Linie durch eine sehr offene, freie und ehrliche Sprache aus. Sämtliche Moralismen, unterdrückte Gefühle oder Gelüste, die man gemeinhin als schädlich, unsittlich oder pathologisch abtut, werden von ihr in einer sehr sympathischen Art und Weise aufgelöst. Weinen und Toben – okay. Trotzen und radikale Neuorientierung – okay. Ab und zu ein Glas Alkohol – okay. Sushi essen – okay. Aber nicht falsch verstehen: das stellt sich nicht als hippiesker Freifahrtschien dar, sondern als humane Grundlage, bei der in allererster Linie die Bedürfnisse der Mütter die Hauptrolle spielen, ohne dabei aber zu plump vorzugehen.
Denn klar: die Autorin ist Ärztin und bezeichnet sich und ihre Berufskollegen im Plural. Wir haben früher noch so und so gedacht, wir denken heute so und so. Schön zu hören jedenfalls, dass entgegen der trivialen Volksmeinung, die ja vor allen Dingen von sogenannten seriösen Zeitungen formuliert wird, die Gefahren der Toxoplasmose oder der Folsäuren-Unterversorgung auf einer biologisch-chemischen Ebene als zumindest fragwürdig klassifiziert werden. Lobenswert.
Ein wenig zum Äußeren: das Layout des Buches ist ein bisschen überladen mit den orangenen Seitenrändern, der etwas übergroßen Schrift und den zwar netten und witzigen Cartoons, die in dieser Häufigkeit (nämlich auf jeder Seite, und dazu immer die gleichen Motive) etwas langweilen und langatmig wirken. Dazu gibt’s es dann noch Tipps mit orangenen Rahmenlinien, orange unterlegte Fallbeispiele und Kurzzusammenfassungen am Rande. Wie gesagt: eher unübersichtlich und überfrachtet, durchaus aber nett und herzlich gemeint.
Fazit:
Inhaltlich – speziell aus akademischer Sicht – ein wirklich hilfreicher und umfangreicher Ratgeber, der genau da ansetzt, wo die moderne Medizin seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr ist und so schnell auch nicht mehr hinkommen wird: in der Natur, im Leben selbst und in der intuitiven, selbstbewussten und autarken Persönlichkeit der Mutter und der Entwicklung selbst. Das Layout gibt leichte Abzüge, aber wer fragt bei seinem Kind schon danach, wie es aussieht. Die Liebe zum Leben selbst zählt.