Asterix 35: Asterix bei den Pikten
Gelungene Reanimierung
Klagen auf hohem Niveau: So könnte man vielleicht die schon nach wenigen Tagen ins Mannigfaltige ausufernden Rezensionen und Forenbeiträge bezeichnen, die der neue Asterix-Band ausgelöst hat. Diese Gallier lassen keinen kalt, erst recht nicht, wenn zum allerersten Mal bei Band 35 die beiden Väter unseres rebellischen Dorfes und ihrer Bewohner nicht mit von der Partie gewesen sind. Stattdessen hat Albert Uderzo, des Zeichnens altersmüde geworden, die Feder aus der Hand gelegt und tatsächlich zwei Nachfolgern in die Hand gedrückt. Wie damals, als sein kongenialer Partner Rene Gosciny noch lebte, sind nun wieder ein Texter und ein Zeichner am Werk, nämlich die hierzulande bislang unbekannten Ferri und Conrad.
Und dieser Schritt war nicht nur dringend notwendig, sondern für alle Comicfans auch eine weise Entscheidung. Nicht dass alle Bände (immerhin zehn an der Zahl), die Uderzo quasi in Eigenregie nach Goscinys Tod entworfen hat, schlecht gewesen wären, aber gerade die letzten drei waren eine große Enttäuschung. Man merkte: da fehlt der Esprit, da fehlt der Drive, da fehlt das Momentum an Kreativität. Stattdessen Superhelden und Geburtstagsfeiern aus der Metaposition. Und jetzt? Klassik pur, denn Asterix und Obelix reisen zu den Pikten, so wie man sie damals nannte. Neudeutsch gesprochen geht die Reise zu den Clans, den Lochs und den karierten Kleidern: nach Schottland.
Und der Band ist gut, ist heimelig, hat Tiefe und Charme und erinnert einen an die gute alte Zeit, in der die beiden Gründungsväter wahre Meisterwerke geschaffen haben, die immer noch dafür sorgen, dass ein neuer Asterix-Band in etwa so groß gefeiert (oder größer) wird wie ein neuer James Bond. Aber: auch nicht alle alten Bände waren genial; gerade Band 1 (Asterix der Gallier) ist rückblickend betrachtet nicht mehr als Durchschnitt. So sollten auch die zahlreichen Fans und Kritiker den beiden neuen Herren am Zeichenpult ein bisschen mehr Freiraum und Chancen geben, denn die Kritikpunkte, derer es einige zu nennen gilt, fallen schließlich doch ab, wenn man endlich wieder mit den Galliern am Lagerfeuer sitzt und ein wirklich pfiffiges Ende erleben darf.
Was gibt es denn zu klagen? Da wären zum Einen die seltsamen Gesangseinlagen des schottischen Hauptdarstellers, den man ganz ähnlich wie im Band bei den Spaniern nach Hause begleitet und ihm dort hilft, gegen ein bösartiges Volk den Dorfstamm zu retten. Dass der Mann seine Sprache verloren hat, weil er monatelang in einer Eisscholle eingefroren war, ist noch okay, aber dass der dann aber Stayin Alive oder Obladioblada singen muss: eher suspekt. Genau so wie die arg konstruiert wirkenden Streitereien zwischen Hörrn Asterix und Hörrn Obelix. Überhaupt: es wirkt halt eben manchmal ein wenig übereifrig gemacht und bisweilen in sich etwas unschlüssig.
Aber dennoch: Vor allen Dingen die grafische Komponente begeistert. Der Anführer des bösen schottischen Clans alleine ist eine Augenweide und die vielen netten Einfälle erinnern stark an Meister Uderzo selbst. Man kann sogar sagen: diesbezüglich hat Conrad das hohe Niveau gehalten. Und auch die Story, die kleinen Kulturverweise und historischen Bezüge, vor allen Dingen das süße Seeungeheuer, das es verdient hätte, in eine Reihe der schönsten Charaktere aller Asterix-Bände aufgenommen zu werden, sind aller Ehren wert.
Fazit:
Man darf sehr froh sein, dass es endlich wieder richtig und zünftig weitergeht. Den einen oder anderen Kritikpunkt kann man bei vielen Asterix-Bänden finden, aber das Gesamtpaket macht unglaublich Lust auf mehr. Auf viel, viel mehr. Und so lange bis der nächste Band kommt (hoffentlich nicht allzu spät), schauen wir jetzt nochmal in die Klassiker hinein.