Bäume verstehen

Peter Wohlleben: Bäume verstehen: Was uns Bäume erzählen, wie wir sie naturgemäß pflegen

Sensation: Ein Förster, der Bäume liebt

Es geht seltsam los und endet in einer Liebeserklärung. Der Förster Peter Wohlleben (der Name ist ein Künstlername, oder etwa nicht?) hat ein sehr einfühlendes, wunderbares, warmherziges, intelligentes und spannendes Buch über Bäume geschrieben, indem er – wie in seiner persönlichen Biographie – erst vorsichtig und fragend an die Pflanzen herantritt, um dann ehrerbietig ein Loblied anzustimmen. Denn der Einstiegssatz macht keine Freude. Bäume seinen seltsame Wesen, schreibt Wohlleben da. Wie kommt er darauf? fragt man sich nicht nur zu Beginn, sondern noch viel mehr am Ende der Lektüre. Sie sind alles andere als seltsam, sondern genau wie andere Wesen fantastisch, einzigartig und sehr, sehr intelligent.

Noch schlimmer wird die Einführung, in der dann offensichtlich wird, dass Wohlleben den Menschen anscheinend für eine Spezies hält, die es noch gar nicht gibt. Zumindest aber sind die aufrechten Zweibeiner angeblich keine Tiere, denen sind sie nur ähnlich. Was für Minuspunkte sich der Autor bei wirklich offenen Menschen, die solcherart Bücher kaufen, einhandelt, ist nur schwer abzuschätzen. Aber es sind gewaltige Minuspunkte einer völlig denaturierten Spezies. Und dann geschieht das Wunder…

Auf einmal wird aus dem Autor, der die Bäume seltsam und die Menschen den Tieren (den Pflanzen sowieso) für überlegen hält, ein Naturwesen, ein Mitfühlender, ein Freund und Liebhaber, den man seit der großartigen Reihe „Blätter von Bäumen“ im AT-Verlag nicht mehr gesehen hat. Wie Kommunikation, Wachstum, Ernährung, Sexualität, Rivalenkampf und Feindabwehr auf sehr humanoide Art und Weise dargestellt werden, ist immer lehrreich, gut und verständlich beschrieben und vor allen Dingen so herzlich. Es dämmert einem: da ist wirklich einer, der den Bäumen zuhören kann.

Die Metaphern sind immer lustig, trefflich und machen das Lesen angenehm. Schreibt Wohlleben über die Flechten an der Rinde, redet er vom Bartwuchs, kümmert er sich ums Harz, sind die Tränen als Beispiel gewählt und der Stamm der Bäume ist das Knochengerüst. Solcherart Definitionen sind menschlich, wirklich und nachvollziehbar. Und so geht das immer weiter, wird immer besser, man fliegt nur so über die knapp 200 Seiten, bis am Ende auch schwarz auf weiß geschrieben steht: Ich liebe Bäume. Und nebenbei noch die persönliche Wandlung vom Saulus zum Paulus, vom Beamten zum naturschützenden Förster. Gibt es letzteres überhaupt mag man sich erstaunt fragen? Zumindest scheint Wohlleben da eine wohlige Ausnahme zu machen.

Fazit:

Abgesehen davon, dass die einzelnen Baumportraits etwas kurz ausfallen und die historisch-anthropologische Betrachtung daneben ist (Menschen sind Tiere – was denn sonst?) und die Amnesie, dass man schon seit vierzig Jahren weiß, dass Bäume sprechen und fühlen, den Autor befallen hat, ein fantastisches, ein liebenswertes, ein kluges, ein tolles Buch. Ein Förster, der Bäume wirklich liebt ist ungefähr so wahrscheinlich, wie ein Mediziner, der wirklich heilt. Gibt’s nicht? Wohlleben macht eine Ausnahme. Chance geben und verzaubern lassen.

 

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