Der dunkle Thron: Rebecca Gable
Vom Niederrhein ins britische Herz
Wer den Namen Rebecca Gable hört, denkt an packende historische Romane und an eine Autorin, die wohlmöglich irgendwo in den Highlands von Schottland wohnt und ihre unendliche Inspiration aus dem britischen Sagen-und Legendenschatz schöpft.
Wer den Namen Ingrid Krane-Müschen und den am Niederrhein gelegenen Kleinort Wickerath hört, denkt wahrscheinlich an gar nichts, darf aber eines Besseren belehrt werden, wenn er erfährt, dass just jene Rebecca Gable das Synonym für Frau Krane-Müschen ist, die seit Jahr und Tag am Niederrhein lebt.
Ihr Interesse für die englische Kultur wurde neben ihrem Magisterstudium an einem Stützpunkt der Royal Air Force geschürt, an dem sie einige Zeit arbeitete.
Herausgekommen ist die Sensation mittelalterliche Romane schlechthin. Ganz nebenbei hat auch „Der dunkle Thron“, der vierte Teil der sogenannten Waringham-Saga, 2011 wieder einem Preis abgeräumt, nämlich den von Lovely Books vergebenen Preis des besten historischen Romans.
Nicht die erste und sicher auch nicht die letzte Ehrung für eine Autorin, die, was auch immer sie mit ihrer Feder auf Papier bringt, große Klasse abliefert.
Schon 1997 erschien mit „Das Lächeln der Fortuna“ der erste Teil jener Saga, die mit der neuesten Geschichte von Nickolas Waringham fortgesetzt wird. Dazwischen begeisterten „Die Hüter der Rose“ und „Das Spiel der Könige“. Der dunkle Thron aber reiht sich nicht nahtlos an das Ende des letzten Bandes an, sondern überspringt gleich mehrere Generationen und startet 1529 in Chelsea, London.
Von seiner Klosterschuler wird der junge Nick nach Hause geschickt, um den bevorstehenden Tod des Vaters (der aufgrund seiner ketzerischen Neigung erzwungen wird) beizuwohnen. Bereits in den ersten Minuten wird klar, dass es sich hier um die Suche nach dem richtigen Glauben handelt, eine historische Tatsache, die ganz Europa seit der Lutherischen Reformation bewegte.
Und in England steht dabei natürlich der berühmt-berüchtigte Heinrich der Achte im Mittelpunkt, jener Mann, den die Frauen und der Papst zu fürchten wussten.
Und just in jenes spannende Szenario strickt Gable ihre Geschichte und lässt den jungen Nick in den Strudel der höfischen Gesellschaft einfließen, in dem dieser Katharina von Aragon und dessen Tochter Mary (Stuart) als katholisch ehrerbietiger Mann die Treue schwört.
So spannt die Autorin den großen Bogen vom Mittelalter zur Renaissance, flechtet die ausufernde britische Thronfolgeregelung mit ein und vermischt Fakten und Fiktion zur nachvollziehbaren Geschichte der Reformation in Großbritannien.
Warum auch heute noch die Queen das Oberhaupt der englischen Kirche ist? Man höre es hier nach.
Natürlich wechselt die Geschichte zwischen dem fiktiven privaten Leben der Waringhams und den realen politischen Episoden; die Charaktere sind stark getroffen – Nick steht dabei über allen und seine liebenswerte, ansatzweise naive, immer ehrbare und rechtschaffene Typologie schafft just jene Spannungsmomente, denen ein listiger und eigensinniger Charakter immer aus dem Weg gegangen wäre.
Gewidmet all ihren Lesern, weil der dritte Teil eigentlich das Ende der Saga bedeuten sollte, hat Gable nun auch für die audiophilen Freunde nachgelegt.
Detlef Bierstedt begeistert von der ersten Zeile an als kompetenter, sprachlich gütiger Vertoner der Buchkunst. Erstaunlich, wie er all die verschiedenen Personen gekonnt und pfiffig darstellen kann.
Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist der gut gemeinte musikalische Hintergrund, der zwischen den einzelnen Kapiteln (also relativ häufig) immer wieder aufflammt.
Fazit:
Dieses Werk hat wieder einmal alles, was ein guter mittelalterlicher Roman, auch im Hörbuchformat, braucht. Einen Sprecher mit tiefer, sonorer und gemächlicher Stimme.
Einen Plot, der weder platt noch überfrachtet ist, und eine Autorin, die, egal wo sie wohnt, den Duft britischer Historie mit der Muttermilch aufgesogen zu haben scheint.
Für Geschichtsfans warten zwölf CDs, auf denen übrigens jene Tudor-Prinzessin Mary in einem anderen Licht erschien, als es die Historiker uns bislang erzählten.
Was wahr ist und was nicht? Wichtiger ist hier: was bewegt und was nicht.
Dieser Roman weiß den Horizont zu erweitern und das Herz zu öffnen und hebt sich wieder einmal von der völlig überfüllten Klasse der anderen Konkurrenzwerke ab.