Der Dürer – Cranach – Holbein Katalog: das Standardwerk für das ,deutsche Portrait um 1500′

Dürer Cranach Holbein
Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Portrait um 1500

Zu den beiden Ausstellungen Dürer, Cranach, Holbein – Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Portrait um 1500 im Kunsthistorischen Museum Wien (vom 31. Mai 2011 bis 04. September 2011, später in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung (vom 16. September 2011 bis 15. Januar 2012) liegt ein Katalogbuch vor, das im Hirmer Verlag  im Mai 2011 zum 540. Geburtstag Albrecht Dürers bzw. zur Wiener Ausstellungseröffnung erschienen ist.

Der inklusive aller Register 351 Seiten starke Band enthält – neben Bildnissen auf Zeichnungen und Medaillen sowie Skulpturen und Büsten – Spitzenwerke der deutschen Portraitkunst im Zeitraum vom ausgehenden 15. Jahrhundert bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts (1480 – 1550). Der Katalog versammelt – auch Seiten füllend – nicht nur die stilprägenden Beispiele der Portraitkunst von Albrecht Dürer (1471-1528), Lucas Cranach d.Ä. (1472-1553) und Hans Holbein d. J. (1497-1543), sondern auch zahlreiche Werke von weiteren 55, auch weniger bekannten Künstlern dieser Zeitspanne, wie z.B. Hans Baldung Grien, Barthel Beham, Hans Burgkmair d.Ä., Hans Daucher, Michael Erhart, Matthes Gebel, Friedrich Hagenauer, Daniel Hopfer, Wolf Huber, Hans Maler, Hans Mielich, Ludwig Neufahrer, Hermann tom Ring, Hans Schäufelin, Martin Schaffner, Jakob Seisenegger, Bernhard Strigel, Michael Wolgemut bzw. von Meistern mit Notnamen (Meister der Augsburger Malerbildnisse, Meister des Hertwigk-Bildnisses, Meister der Thenn’schen Kinderbildnisse) sowie 21 Werke von bis heute auch der kunsthistorischen Fachwelt weithin unbekannt gebliebenen Künstlern.

Die Abbildungen der – mit Abweichungen – in beiden Ausstellungen gezeigten Werke sind von „Kat.-Nr.1“ bis „Kat.-Nr. 210“ durchnummeriert und den jeweiligen beschreibenden Texten, wenn es die Abbildungsgröße bzw. die Seiteneinteilung erlaubt hat, mehr oder weniger leicht zuzuordnen. Damit ist der direkte, weil umgebungsnahe Vergleich zwischen Abbildung und Text gut gewährleistet und die wichtigsten Bildinformationen übersichtlich erfasst (Name des Künstlers, Bildtitel, Entstehungsdatum des Bildes, verwendete Materialien, derzeitiger Standort bzw. Provenienz und weitere Literaturangaben zum Abschluss der Beschreibung).

Die beschreibenden Texte sind in kleinerer Schrifttype gesetzt und mit Siglen (Abkürzungen der jeweiligen Vor- und Nachnamen der Beiträger/innen) gekennzeichnet, die im Impressum aufgelöst werden.

Dazu kommen ca. 80 weitere Abbildungen, die die 11 HauptautorInnen, die teilweise mit denjenigen der Bildbeschreibungen identisch sind, in ihre – den Band thematisch gliedernden – grundlegenden Einführungen eingebunden haben: Leider findet man keine systematischen biographischen Angaben zu den Autoren/Autorinnen, außer der bezeichneten Zugehörigkeit der vier Herausgeber, -innen, einerseits zum Kunsthistorischen Museum Wien (KMH) mit Dr. Sabine Haag (als Generaldirektorin/Mitautorin des Vorworts), Hofrat Dr. Karl Schütz als ehemaliger Direktor der Gemäldegalerie des KMH und Christoph Metzger, andererseits Dr. Christiane Lange als Direktorin der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München (Mitautorin des Vorworts).

Immerhin bilden jedoch auch die weiteren 12 Beiträge äußerst facettenreiche inhaltliche Schwerpunkte des Katalogs:

Hofrat Dr. Karl Schütz stellt zunächst die Frage, welche Rolle und Funktion Deutsche Portraits um 1500 spielen und periodisiert sehr plastisch und stringent in seinem zweiten Beitrag „Gestalt und Geist – Albrecht Dürer als Portraitist“ dessen künstlerisches Schaffen. Dr. Christoph Metzger ist auf der „Suche nach der Wahrheit im Bildnis der Dürerzeit“, Dr. Stephan Kemperdick, der auch über Deutsche Gemälde im Städel Museum 1300-1500 publiziert hat, tritt mit den „Anfängen der deutschen Portraitmalerei“ vor Dürer auf.

Mag. Alice Hoppe-Harnoncourt (Kunsthistorisches Institut der Universität Zürich) stellt Lucas Cranach d. Ä. als Porträtist vor, Professor Dr. Jochen Sander (Kunstgeschichtliches Institut der Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt a. Main und seit 2007 stellvertretender Direktor des Städel Museums) thematisiert Hans Holbein d. Jüngeren als Bildnismaler in Basel und London.

Wie Dürer, Cranach und Holbein d.J. mit den technischen Möglichkeiten und der Bedeutung von Zeichnungen umgegangen sind, beleuchten die ausgewiesenen Kenner deutscher und niederländischer Zeichnungen, Dr. Erwin Pokorny und Dr. Eva Michel (beide am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien tätig).

Den Prozess der Entdeckung des Menschen im Portrait um 1500 im deutschsprachigen Raum nicht nur in der Malerei, Zeichenkunst und der Graphik, sondern auch in der Vielfalt neuer skulpturaler Bildmedien (Grabmäler, Stifterbildnisse, Statuen, Büsten, Reliefs) beleuchtet Dr. Jens Ludwig Burk, während Annette Kranz und Dr. Achim Riether (Staatliche Graphische Sammlung, München) die Vielfalt des Portraits in Medaille und Druckgraphik nachzeichnen und auf einen in dieser Zeit entstehenden neuen Künstler-Typus aufmerksam machen, den „Medailleur oder Konterfetter“.

Über Zweck, Funktion und verschiedene Wirkungsformen deutscher Portraits um 1500 macht sich Dr. Stefan Krause Gedanken, Dr. Anna Moraht-Fromm (Kunsthistorikerin in Berlin) beleuchtet den „Kopf und Kragen“ als Auswahl von Attributen und Accessoires in der bildnerischen Selbstdarstellung. Professor Dr. Andreas Tacke (Universität Trier, Fach Kunstgeschichte) macht sich auf den Weg der „Enttäuschungen bei der Entdeckung des Menschen“ und hebt diese Gefühlsregung vor allem bei zeitgenössischen Betrachtern der Porträts hervor.

Eine gute Übersicht über Kurzbiographien der wichtigsten Künstler, die das Standardwerk über Portraits um 1500 in Deutschland auch als Nachschlagewerk auszeichnen mag, bietet Michael Niekel (Tutor am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Bamberg) mit seinem ersten Bestandteil des den Band abschließenden Registerteils.

Sie enthalten Verweise auf die Bilder mit beispielsweise „Kat.-Nrn. 10-15“, sodass von diesen Biographien schnell auf die Bilder (und Texte) zurückgeschlagen werden kann. Es folgt eine ausführliche, nach Nachnamen und Erscheinungsdaten sortierte Bibliographie; zitierte Ausstellungs- und Museumskataloge sind getrennt nach Ortsalphabet mit Angabe der ausgestellt habenden Museen aufgeführt.

Den Abschluss bilden die obligatorischen Abbildungsnachweise, die ebenfalls ortsalphabetisch geführt bzw. mit ortsansässigen Museumsnamen versehen sind und eine Auflistung der Ausstellungsobjekte (Wien und München).

Fazit

Gerade weil die Ausstellungen vorüber sind, kann der Katalog „Dürer – Cranach – Holbein – Die Entdeckung des Menschen: Das Deutsche Portrait um 1500“ nicht nur mit seinen sehr informativen und gut geschriebenen Texten, die dem kunstinteressierten Laien einen vielfältigen Überblick über die Zeit und das Sujet bieten, zu einem Standardwerk werden, sondern auch seiner wirklich umfangreichen Bildsammlung wegen; dazu eignet sich der Band gleichermaßen als fundiertes Nachschlagewerk mit den beschriebenen Registern.

Leider fehlen (biographische) Angaben zu den Autoren bzw. deren Kommunikationsdaten, mit denen geneigte Leser und Blätterer vielleicht auch einmal persönlichen Kontakt hätten aufnehmen wollen.

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