Die Seltsamen

Stefan Bachmann: Die Seltsamen

Solider Steampunk

Seltsam, seltsam, dass der Schweizer Diogenes-Verlag auf einmal mit einem roten Hintergrund auf dem Cover daherkommt. Wo ist denn das legendäre Weiß und der Rahmen um den dezenten Titel? Seltsam. Stattdessen weinroter Hintergrund und als Covervild ein mechanischer Vogel mit Aufziehschlüssel auf dem Rücken und Nägeln im Blech, die ein Gesicht formen. Nicht seltsam, sondern ein erster dezenter Hinweis auf den Inhalt des mittlerweile zweiten Romans des immer noch als Teenager durch die Welt schwebenden Amerikaners Stefan Bachmann. Ein Hinweis auf das fiktive Dampfzeitalter Londons, in dem unter anderem die Story veranschlagt ist.

Der Prolog zeigt sofort: es wird düster, melancholisch, ungewöhnlich, ein wenig schauderhaft und immer auch grausam. Leichen hier, Zerstörung dort, Agonie in den Gesichtern und den Gestalten. Dann trafen sich einst die Menschen und die Feen, manchmal sogar in der Lust, so dass in Bachmanns Roman sogenannte Mischlinge gezeugt worden sind. Wesen, die niemand zu Gesicht bekommen will, und die nicht wissen, wo sie denn hingehören und die, wie im Fall der Hauptperson Bartholomew Kettel, von ihrer leiblichen, menschlichen Mutter versteckt werden.

Bath (ein an sich recht mondäner, typisch englischer Ort – ob Bachmann sich was dabei gedacht hat?) wird direkt zu Beginn des Romans als Heimstätte der mittlerweile durch verschiedene Portale aufgetauchten Feen bezeichnet und genau hier lebt auch Bartholomew mit seiner Schwester Hettie. Sie sind Mischlinge, Hettie mit Ästen auf dem Kopf, hässlich und mysteriös. Bachmann zeichnet sie wie alle anderen Personen und Landschaften richtig schön bedrückend und düster, so dass man manchmal kurz pausieren muss vor lauter, gemeiner Melancholie. Was dem Autor ein wenig abgeht, sind die Charakterisierungen der Darsteller sowie ein einfacher, klarer Plot – vielleicht ist das alles seinem Alter geschuldet, vielleicht war das auch so beabsichtigt, vielleicht steckt da noch mehr dahinter? So jedenfalls führt das zu einem stark atmosphärischen, aber selten ausgeklügelten Leseerlebnis.

Das Ganze hat einen trefflichen Hintergrund. Denn das Steampunk-Genre, in den man die Beschreibung grob verorten muss, zeichnet sich ja in erster Linie durch hedonistische, makabere Selbstdarstellung aus, in der Zukunft und Vergangenheit miteinander vermischt werden, alles aber zunächst unter Aspekten des Looks, also des Äußeren, steht. Technik, Retro, Zukunft – Reminiszenzen bei Verne, Dickens, Wells haben hier aber nichts verloren, da sollte man sich eher an asiatische Mangas, Gothic-Style und Dystopia-Fabeln halten, dann kommt man der Kraft dieses Buches sehr nahe.

Gelungen sind  auf jeden Fall die zwei Handlungsebenen (einmal Bartholomew, als Gegenpart der Londoner Politiker Mr. Jelliby), die ungewöhnlichen Orte, Wesen und vor allem Situationen sowie leichte, flüssige Schreibstil. Nicht so schön ist, das alles etwas überfrachtet und – dem jugendlichen Idealismus geschuldet? – überambitioniert wirkt.

Fazit:

Ein lesenswerter, spannender und düsterer Roman, der – typisch Steampunk – durch sein äußeres Ambiente zu beeindrucken weiß. Wie tief es dahinter in die Verzauberung geht, ist eine andere Frage, die jeder für sich beim Lesen beantworten muss.

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