Ich und die Menschen

Inhaltsverzeichnis
Musik

Saltatio Mortis – Finsterwacht

Musik

Daryl Hall – D

Klassik

Stephan Moccio – Legends, Myths And Lavender

Matt Haig: Ich und die Menschen

Unmenschlich komisch

Die Perspektive des Künstlers ist eine besondere, quasi gottähnliche Möglichkeit, die Begebenheiten und Geschehnisse, die sonst den Alltag des Menschen bestimmen, ad absurdum zu führen. Eine Möglichkeit, von der nur wenige Autoren oder Regisseure wirklich Gebrauch machen. In den meisten Fällen sind alle Formen von Prosa und lyrischer Gestaltung eine Übertreibung, Verbrämung oder Glorifizierung von – so die Psychologen – Minderwertigkeitskomplexen, die in dieser Form sublimiert werden können. Anders Matt Haig und seine Literatur. Der Engländer begeistert mit einer extraterrestrischen Sichtweise – und das ist im folgenden Fall sogar wörtlich zu nehmen.

Ich und die Menschen ist ein grandioses Hörbuch, das aus der Sicht eines Außerirdischen erzählt wird, der in die Rolle eines Universitätsprofessors schlüpft, um – was anfangs noch nicht ganz ersichtlich ist – dem Universum einen großen Dienst zu erweisen. Gleich zu Beginn lässt Haig die Hosen runter und macht den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zum Affen, wobei das eigentlich noch untertrieben ist. Denn das Hörbuch zeichnet sich zunächst durch ein Vorwort für Erdenbewohner und danach durch eines für die Angehörigen seines Weltraumvolkes aus. Urkomisch und voll bitterbösem Zynismus wird direkt deutlich, WIE dramatisch es aus Sicht der Außerirdischen um die mentalen und emotionalen Fähigkeiten des Menschen bestellt ist. Dass der Mensch eigentlich viel zu viele Dinge tut, die ihn unglücklich machen, seine Zeit mit dem nutzlosen Transport von A nach B vergeudet und darüber hinaus noch zwei sehr hässliche, außerkörperliche Sinnesorgane zum Hören an seinem Kopf trägt. Wollte dem Autor da jemand widersprechen?

Natürlich muss man schon eine kleine Portion Selbstironie mitbringen (das wird nicht jedem gelingen); aber da Haig den Zynismus letztlich sehr liebevoll und den Plot der Geschichte zum Menschen hin konstruiert, werden sich auch die Narzissten hier wiederfinden können. Klassische Musik oder der emotionale Augenblick menschlichen Miteinanders machen eben auch die unbekannte Lebensform (von der man nicht erfährt wie sie richtig heißt) zu einer gefühlsbeladenen Maschine. Schade, möchte man aus Sicht des Universums hinzufügen, aber auch Autoren sind Menschen und haben Gefühle.

Dennoch ist der Auftrag existentiell, vielleicht für die ganze lebendige Welt. Denn jener Mathematiker, der mit Hilfe der außerirdischen Kräfte aus dem Verkehr gezogen und ersetzt wird, stand nämlich kurz davor, das Geheimnis der Primzahlen zu lösen. Eine solch ungeheure Tat, die bei einer so dummen und brutalen Spezies wie dem Menschen von allergrößter Gefahr sein muss. Verständlich, möchte man meinen, dass da eingegriffen wird.

Eine absolut geniale Besetzung ist Christoph Maria Herbst als Hörbuchsprecher. Mit einer Nonchalance, einem subversiven, immer überlegenen und spontanen Erzählwitz gelingt ihm eigentlich alles. Anders formuliert: Wer dieses Hörbuch goutiert, kann sich nicht vorstellen, dass die geschriebene Form des Stücks an die Qualität herankommt, die Herbst auftischt. Dass der mittlerweile fast 50jährige Schauspieler vor einigen Jahren einen Comedypreis erhielt, wird eigentlich über die ganze Länge (also über acht Stunden Hörzeit) deutlich. Witz, Esprit und vor allen Dingen die herrliche Fähigkeit, sich in jenen Außerirdischen hineinzuversetzen sind – so scheint es – Herbsts heimliche Identität.

Fazit:

Auf seiner Internetseite schreibt der Autor, dass er stolz ist, dieses Buch geschrieben zu haben, und dass er noch nie vorher und wohl auch nie mehr danach so etwas schreiben kann und wird. Dem ist – außer in Klammern das Wörtchen genial – nichts hinzuzufügen.

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