Kashgar – Händler der Seidenstraße
Die Karawane zieht weiter, das Muli hat Durst
Die Definition eines Kartenspiels hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Wer noch an Pik, Karo, Herz und Kreuz, an Canasta und Rommé, an Zahlen von maximal 2 bis Ass denkt, und sich den Spielaufbau so einfach wie möglich vorstellt, dem muss gesagt werden: da hat sich was getan. Statt einer Smartphone-großen Verpackung mit 32, 52 oder mit Jokern allerhöchstens 108 Spielkarten, werden die Kartenspiele modernster Prägung gleich in einer großen Spielschachtel verpackt, weil darin eben deutlich mehr wartet. In dem Fall des vorliegenden, neuen Spieles aus dem Kosmos-Verlag, neben den vielen verschiedenen Karten nd Spezialkarten auch Spielertableaus sowie Marker. Es sieht größer aus, als es ist, inhaltich aber rechtfertigt Kashgar die Dimension des Aufbaus.
Denn Kashgar ist ein Kartendeckspiel ganz in der Tradition von Dominion, das man wohl als Überflieger unter das moderne Kartenspielen begreifen kann. Auch Kashgar macht großen Spaß, besitzt durch die immer neuen Kartendecks unendliche Optionen und hebt sich vom Spiel des Jahres von 2010 noch dadurch ab, das Karten und Spielmaterial besonders hochwertig und liebevoll gestaltet sind.
Worum geht es? Wenn man die Geschichte der mittlerweile chinesischen Stadt Kaxgar kennt, weiß man, dass dort vor knapp zwei Jahrtausenden eine blühende, mächtige Handelsstraße hindurch lief, die Teil des Seidenwegs war, jener Verbindung zwischen Europa und Asien, die seit eben jenen Tagen die Händler hüben wie drüben anzog. Die Uiguren, jenes Volk, das ursprünglich Kaxgar besiedelte, würde sich freuen, wenn die mittlerweile als Usurpatoren verstandenen Chinesen mit ihrer Stadt genau so umgehen würden, wie der Kosmos-Verlag und sein Autor Gerhard Haupt mit diesem Spiel.
Denn zehn lange Jahre sensibler und sanfter Vorbereitung haben erst jetzt zu der Fertigstellung geführt, und Haupt betont, dass Dominion gar keinen Einfluss auf die Entwicklung gehabt hat, obwohl es eben ähnlich großartig und innovativ ist. Kurz gesagt, geht es darum, die tatsächlich auf der Seidenstraße gehandelten Gewürze Ingwer, Nelken, Pfeffer, Sternanis und Zimt, sowie die Basiswährung Gold und die Transportmaschinen, damals auch Mulis genannt, clever und marktwirtschaftlich zu sammeln, zu kaufen und gewinnbringend zu verkaufen. Siegpunkte, derer man 25 zum Sieg benötigt, erhält man, wenn man Auftragskarten erfüllt oder bestimmte Deckkarten ausspielt.
Jene Standardkarten sind es, die, ähnlich wie bei einer Patience, den drei Karawanen und ihren Patriarchen, die man zu Beginn vor sich ausliegen hat, sammelt und die im weiteren Verlauf des Spiels wieder an die Reihe kommen können. Da man sieht, welche Karten einer Karawane angehängt sind, kann man abschätzen, wann sie wieder an die Reihe kommen (denn bei jedem Spielzug wird die vorderste wieder hinten angelegt). Das ist trickreicher, als es sich anhört, denn so kann es passieren, dass man die schönsten Karten hat, leider aber viel zu weit hinten in der einen Karawane. Doch auch dafür ist gesorgt, denn Spezialkarten wiederum ermöglichen es auch, in diesem Beriech zu manipulieren.
Apropos Manipulation: zwölf Zusatzkarten für die Variante Hauen und Stechen bringen erheblich viel mehr Interaktion ins Spiel, während das Basisspiel in erster Linie eigenes Spielen erfordert. Siehe also Patience oder siehe also Dominion.
Fazit:
Für ein Debüt, denn Kashgar ist das erste Spiel des Autors, ein herausragendes Qualitätsmerkmal. Herrlich aufgemacht, variabel, unterhaltend, je nach Spielstärke schnell durchzuspielen (40 Minuten) und durch die Zusatzkarten ausbaufähig. Das erinnert wiederum an Dominion, von dem es mittlerweile sieben oder acht Erweiterungen gibt. Und das ist auch diesem Spiel zu wünschen. Der Verlag freut sich (zu Recht) und wir Spieler dürfen noch trickreicher und kniffliger handeln, kaufen und verkaufen, Aufträge erfüllen und uns an diesem abendfüllenden Spiel laben.