Mondscheingeschichten
La-le-lu, nur der Mond schaut zu
Für alle, die ein großes Interesse am Mond und vor allen Dingen dessen literarischer Rezeption haben, dem sei das Schrifttum Johannes Keplers empfohlen – einem großen, astrologisch versierten, tiefsinnigen und hellsichtigen Mondfreund. An seinen Schriften kann man exemplarisch ein letztes Leuchten des Trabanten wahrnehmen, das spätestens im Zeitalter der Aufklärung verloschen ist. Von dort an nämlich wird der Mond zum sublimen, pathetischen Begleiter, dessen tatsächliche Kräfte wortwörtlich im Dunkeln liegen. Das ist rezeptionshistorisch traurig, aber Fakt der Wirklichkeit und immerhin kann man diesem Phänomen ja dennoch freudvoll entgegen treten.
Zumindest prosaisch und poetisch auf allerhöchstem Niveau: das sei zuallererst in diesem herrlichen Kompendium (man könnte gar von eine Anthologie der Mondbeschreibung sprechen) von Diogenes hervorgehoben. Hier hält der große Dichterfürst Goethe nicht weniger heroischen Nachfolgern die Türe auf. Rilke, Dürrematt, Storm, Ringelnatz oder die Droste: sie alle haben etwas zu sagen, zu dichten und zu fabulieren vom magischen Erdtrabanten.
Schön ist die Mischung aus Gedichten, Kurzgeschichten und Novellen. Die zwei längste Geschichten spiegeln auch ein wenig die kunterbunten Gegensätze dieser Sammlung wider. Zum einen ein moderner Star am Geschichtenhimmel (die Japanerin Yoshimoto), daneben ein Klassiker des fabelhaften Fabulierens (H.C. Andersen). Mal melancholisch, mal spitzbübisch, immer aber lunar.
Der Diogenes-Verlag hat den Vorteil, dass er es sich leisten kann, eben jenes Starensemble, in dem auch Eichendorff, Auster, Fitzgerald, Hofmannsthal oder Cechov vertreten sind, zu präsentieren, weil all diese Größen quasi ganz aktuell oder postum in jenem Schweizer Verlag der wohlfeinen und großartigen Literatur ihr Zuhause haben. Dazu haben sich die Macher ein sehr schönes, vielleicht etwas arg buntes, aber haptisch recht ansprechendes Cover einfallen lassen. Dazu ein korrektes Nachweisverfahren und fertig ist das Allerlei der Mondfreunde.
Ganz besonders ausgeklügelt ist das letzte Gedicht des Bandes von Rainer Brambach, das im Grunde (ohne es zu wollen) Bezug nimmt auf diese Zusammenstellung. Brambach fehlen nämlich die einfachen Dinge im Leben, wie Kühe melken, oder den Mond wie Goethe oder Claudius oder Hebel betrachten. Wunderschönes Ende.
Fazit:
Die Kraft des Mondes auf Erden wird durch diese Annäherung von Verliebten (Autoren samt Kompilatoren) ausgedrückt, kommt aber nicht ansatzweise an das heran, was der Mond wirklich schafft. So viel Gemütsbewegung kann man nicht in Worte fassen. Sich aber herzzerreißend, intelligent und ganz zärtlich dafür bemühen, wie die Kollegen in diesem Band.