Neun Leben

William Dalrymple: Neun Leben. Unterwegs ins Herz Indiens

Inhalt

William Dalrymples stellt neun Menschen vor, die im modernen Indien leben, deren Leben aber ganz dem Göttlichen gewidmet ist bzw. von der Religion bestimmt wird. Es sind neun ganz unterschiedliche Menschen, aus ganz Indien, mit sehr unterschiedlichen Lebensläufen.

William Dalrymple beginnt seine Beschreibung vom Glauben dominierter Menschen mit der vielleicht härtesten, uns unverständlichesten Form. Er erzählt von der Jain-Nonne, die sich auf rituelle Weise langsam zu Tode hungert, in einer Form auf die Spitze getriebenen Verzichts auf alle weltlichen Genüsse. Dabei hat sie eigentlich einen sehr weltlichen Grund ihr Leben mit Mitte 30 zu beenden. Ihr gesamtes erwachsenes Leben verbrachte sie zusammen mit ihrer engsten Freundin, Nonne wie sie. Nach deren Tod hält sie nichts mehr in diesem Dasein. Das Leben dieser sehr sanften und doch gegen sich selbst sehr harten Nonne erlaubt Dalrymple, uns den Jainismus vorzustellen, eine Religion, die nur in Indien verbreitet war und ist.

Der Nonne folgen Lebensgeschichten und Lebensläufe von Sängern und Tänzern heiliger Epen, sogar solchen, die in der Hälfte des Jahres verachtete Angehörige einer niederen Kaste sind und harte körperliche Arbeit verrichten, um in der zweiten Häfte in Tänzen und Gesängen Götter zu verkörpern und in dieser Form sogar von Mitgliedern der höchsten Kaste angebetet zu werden. Dalrymple erfragt, wie dieser Spagat auszuhalten ist, ob er immer gelingt.

Dann stellt er einen Tantriker vor, erläutert tantrische Riten, die wegen ihrer sexuellen Komponente im Westen bekannt wurden. Was ist wahr, was nur westliche Projektion? Wie lebt der Bronzegießer, der in einer jahrhundetealten Tradition religiöse Figuren herstellt und dessen höchstes Ziel es ist, den alten Bronzen aus den Museen so ähnlich wie nur möglich zu werden. Fortschritt rückwärts gewandt.  Dalrymple stellt uns auch einen tibetischen Mönch vor, der Freiheitskämpfer und Soldat war und, wieder buddhistischer Mönch, versucht, seine mörderischen Taten zu sühnen. Ihm an die Seite treten dann noch ein blinder Sänger, eine Mystikerin und eine Tempelhure.

Der Autor

William Dalrymple wurde 1965 in Schottland geboren, lebt aber bereits seit 24 Jahren in Indien, mittlerweile mit Frau und drei Kindern auf einer Farm in der Nähe Delhis. 2009 gründete er das Jaipur Literature Festival in Indien, das vielleicht prestigeträchtigste Literaturfest des Subkontinents. „Neun Leben“ stand monatelang auf Platz eins der indischen Bestsellerliste. Dalrymple veröffentlicht auch regelmäßig Reisereportagen und schreibt für verschiedene in- und ausländische Zeitschriften.

Fazit

Dalrymple begegnet seinen Protagonisten mit Respekt, und vermeidet jede billige Effekthascherei. Er lässt sie ihr Leben erzählen, lauscht ihren Geschichten und beobachtet ihr Leben. Er berichtet, er wertet nicht, auch nicht, wenn der Sohn des Bronzegießers lieber Programmierer werden will und das alte Handwerk von immer weniger Künstlern ausgeführt werden wird oder wenn der Verkauf junger Mädchen an den Tempel bedeutet, dass immer mehr junge Frauen keine andere Wahl haben, als Prostituierte zu werden und früh an AIDS sterben.

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