Niels Frevert – Zettel auf dem Boden
Nicht gerade wenige gezielt musikhörende Menschen halten Niels Frevert für den besten deutschen Singer-Songwriter. Der Hamburger ist leider viel zu unbekannt, obwohl er einige tolle Alben herausgebracht hat. Allerdings auch nur vier seit Ende der 90’er, was nun wirklich nicht viel ist. Vor einigen Wochen erschien „Zettel auf dem Boden“ als Nummer 4 und ist wieder einmal äußerst empfehlenswert.
Frevert ist wesentlich ruhiger als in den 90’ern, als er in der Rockband Nationalgalerie spielte und mit „Evelin“ und „Tütensuppe“ auch Hits hatte. Die alten Alben seiner Band sollen bald neu aufgelegt werden. „Indiana“ und „Meskalin“ waren wirklich großartig, aber auch ganz anders als das eher ruhige und meist akustische Solowerk.
Besonders die Texte sind wie immer phantastisch. Die Single trägt den so schrägen wie genialen Titel „Ich würde Dir helfen eine Leiche zu verscharren wenn’s nicht meine ist“ und ist ein absoluter Ohrwurm. Leider darf man Zweifel haben, ob dieser Song im Radio gespielt wird. Einzelne TV-Einsätze gab es allerdings.
Eine Tourbescheinung ist „Zürich“. Ähnliches gab es bereits auf dem letzten Album mit „Der Typ der nie übt.“ Zürich und das anschließende, textlich so ungewöhnlich wie logische „Küchensee“ sind die wahren Highlights des Albums. Welcher deutsche Texter kommt auf Zeilen wie „Unter der Spüle, hinter Abwaschschwämmen, Glühbirnen und Waschmittel liegt verborgen der Weg zum Gasthaus am Küchensee?“ Es wäre irgendwie toll, jemanden diese Zeilen auf der Straße singen oder summen zu hören.
Das Album hat keine Schwächen. Das Hermann van Veen-Cover „Bis jemand mich hört“, fügt sich nahtlos ein und bildet mit dem einleitenden „Schlangenlinien“, dem prägnanten „1m2 Regenwald“, dem ungewöhnlichen „Frustrationstoleranz, Herr Frevert“, dem jenseitigen Liebeslied „Blinken am Horizont“ und dem poppigen „Wohin hat es deine Sprache verschlagen“ ein äußerst stimmiges Werk ohne Schwachpunkte.
„Zettel auf dem Boden“ gibt es auch in einer limitierten Version mit einer Pianoversion von „Blinken am Horizont“, einer Orgel-Version von „Ich würde Dir helfen eine Leiche zu verscharren wenn’s nicht meine ist“, einer Akustik-Fassung von „Wohin hat es deine Sprache verschlagen“ und zwei älteren Live-Stücken.
Fazit:
Wer den 44jährigen nicht kennt, aber gerne gute Musik mit deutschen Texten hört – also etwas anspruchsvolles, keinen billigen Pop oder gar Schlager –, der sollte Niels Frevert für sich entdecken. „Zettel auf dem Boden“ ist ein guter Anfang, aber das selbstbetitelte Debüt (mit dem kleinen Hit „Doppelgänger“), das Comeback „Seltsam öffne mich“ und das letzte Werk „Du kannst mich an der Ecke rauslassen“, sie alle gehören in jeden guten Plattenschrank. Und sollen dieser Tage tatsächlich auf Vinyl wiederveröffentlicht werden.