Ralf Nestmeyer: Normandie: Reiseführer mit vielen praktischen Tipps
Napoleon war auch schon da
Die Normannen haben der Normandie den Namen geben. Macht richtig Sinn und könnte zu dem vorschnellen Schluss verleiten, dass die Normannen, also die Nordmänner, den Norden Frankreichs als ihre Herkunft bezeichneten. Nun, weit gefehlt, und wer sich historisch ein wenig auskennt, weiß: die Nordmänner kommen aus dem hohen Norden und werden im Volksmund bis heute gerne als Wikinger bezeichnet. Genau diese überrollten vor mehr als tausend Jahren die heutige Normandie, ließen sich in Rouen nieder und schufen so Namen, Bedeutung und Infrastruktur jener Region, die nach heute auf diesen Säulen fußt.
Wer dieses und noch viel mehr historisches und kulturelles Wissen erwerben möchte und gleichzeitig ein Interesse daran hat, in jene urfranzösische Gegend zu reisen, der macht mit dem Reiseführer Normandie aus dem Hause Michael Müller mal wieder alles richtig. Weil eben jener Verlag in Sachen Reisen seit einiger Zeit eben so ziemlich alles richtig macht. Landkarten, Sehenswürdigkeiten, Reiserouten: kann natürlich jeder – aber so systematisch clever und mit dieser tatsächlich individuellen Note ist schon was Feines.
Der Autor Ralf Nestmeyer ist quasi der Frankreichexprte jenes Verlags und zugleich nimmt man es ihm ab, dass er besonders in dieser Region sein Glück gefunden hat. Der authentische Einstiegsbericht im Buch über die Wirkung seines ersten Besuchs der Soldatenfriedhöfe, der lukullischen Genüsse von Cidre, Calvados und Camembert sowie die Mischung aus Kulturmeisterwerken und Nordseeküste: Nestmayer plaudert aus dem Nähkästchen und lädt alle anderen ein.
Landschaft, Geographie, Klima, Reisezeiten, Küche, Wirtschaft, Politik und natürlich Geschichte: die nicht unüblichen Kapitel sind selbstredend auch in diesem Reiseführer vorhanden – optisch ansprechend untermalt und professionell vernetzt (sprich: Internetseiten, Telefonnummern, Adressen etc.). Die Geschichte nimmt – wie immer bei Nestmeyer – einen besonderen Stellenwert ein; auch in den tatsächlichen Einzelkapiteln, die die fünf Bezirke dieser Region vorstellen, gibt’s die ein oder andere Anekdote, warum denn der Ort heutzutage so heißt, wer dieses Gemälde erschaffen hat, warum die Römer hier und nicht dort landeten etc.
Kleine gelbe Kästen sind dann vollständig der Schnurre gewidmet. Sartre und Beauvoir in Le Havre, Proust in Cabourg oder die Heilige von Lisieux: hier wird Kunstgeschichte aufgetischt; und vielleicht sitzt man gerade bei einem Glas Cidre in der Normandie, blättert in seinem Reiseführer und macht dann Ah und Oh und Guck doch mal, wer auch hier war, und siehst do dort drüben, da hat der… Klasse!
Randnotiz des Wunderbaren: Noch bevor es das Wort Tourismus gab, gab es den Tourismus: und zwar in der Normandie – bevölkert von den reisewütigen Imperialisten aus Großbritannien. Die Legende erzählt, dass Napoleon die Hafenstadt Dieppe vor 200 Jahren besuchte und damit Teil des damals schon existierenden Urlaubsortes war. Warum die Normandie mag man fragen? Vielleicht weil sie alles hat: Meer, herausragende Kichenbauwerke, den sagenumwobenen Monte Saint Michel, den Teppich von Bayeux, die zehn Millionen Apfelbäume (und damit den Cidre und den Calvados), den Camembert, das urige, französische Landleben, der Hafen vor der Metropole. Wer dort gewesen ist, wird diese Liste beliebig verlängern können.
Fazit:
Michel Müller Reisebücher sind so weit vorne, wie Frankreich als Reiseland vorne ist. Übersichtlich, extrem anwendungsfreundlich, authentisch und trotz dieser Fülle handlich und kompakt. Nur Reisen müssten Sie noch selber. Bon voyage.