Spätlese

Loriot: Spätlese

Es ist nie zu spät für Loriot

 

Was genau die Bezeichnung Spätlese auf einer Weinflasche bedeutet, muss man nicht wissen, sondern kann man sich denken: die Trauben wurden spät gelesen. Ist dann der Wein besser als bei einer Früh- oder Normallese? Kann man als Wein-Laie nicht wissen, zumindest aber mal konstatieren, dass sich allein sprachlich die Spätlese weise und irgendwie besonders anhört. Und genau das trifft auch auf die opulente Diogenes-Ausgabe von Loriot zu, dessen Nachlass nun in mehreren Chargen von seinen Hinterbliebenen auf den Markt gebracht wird.

Ausnahmslos gezeichnete oder gemalte Loriot-Köstlichkeiten warten in diesem dicken und schweren Wälzer auf die Fans und Verehrer des großen Meisters. Sie sind in verschiedene Rubriken eingeteilt und sollen hier näher vorgestellt werden: Der Band beginnt mit den Frühstücken, was so viel heißt wie: hier wird Komisches aus der Frühzeit seines künstlerischen Schaffens aufgetischt. Nämlich comicstripartige Späße, die seinerzeit für die Illustrierten Weltbild, Quick und Stern gedacht waren. Nicht alle, die hier versammelt sind, wurden tatsächlich veröffentlicht; noch nie aber wurden sie, das gilt für das gesamte Oeuvre des Buchs, in einem Band zusammengefasst.

 

Inhaltlich haben wir es mit den Befindlichkeiten deutscher Nachkriegsgesellschaften zu tun. Mit doppelbödigem Humor,  mit Technik und Haushalt, mit Moral und schlüpfrigen Witzen. Das ist anderenorts fast immer peinlich, bei Loriot zumeist erhaben und komisch.

 

Dass Viktor von Bülow, so ja sein richtiger Name, ein begnadeter Zeichner gewesen ist, lässt sich besonders gut an Rubrik Zwei, den großen Deutschen, erkennen, in der unter anderem Wagner, Goethe oder Schiller in großen Kunstportraits mit dicken Knollennasen den Betrachter anglotzen. Auch das darf man nicht als abgeschlossene Arbeit ansehen, sondern es sind Skizzen, Entwürfe, die nur teilweise koloriert, aber immer auf den Punkt gebracht werden. Und in den Bildunterschriften ist auch noch Platz für schöne Späße. So steht beispielsweise beim Bild von Richard Wagner dessen Biographie in Kurzform: geboren am, große Meisterwerke waren, nur um dann abzuschließen mit: dennoch gestorben. Köstlich, köstlich – Loriot, eben.

Daran anschließend zeigen Privates und Halbprivates Zeichnungen für Freunde und Bekannte. Auch das sind dann entweder berühmte Personen der Geschichte oder aber die betreffenden Personen selbst. Das ist immer große Zeichenkunst mit dem berühmten Loriot-Einschlag, der den Witz meist nur zart, aber dafür umso trefflicher andeutet.

Nach den obligatorischen Bildern mit Möpsen, die ja an sich schon recht lustig sind, wartet im letzten Teil noch ein echter Leckerbissen. Die als Nachtschattengewächse titulierten Bilder sind entstanden in schlaflosen Nächten des Künstlers. Sie sind völlig anders als der Rest, nämlich kubistisch, dadaistisch, verquer und sehr modern anmutend; daliesk, wenn man so will. Hier geht es gar nicht oder nur marginal um Humor, sondern einfach um moderne, freischaffende, lebendige und inspirative Kunst.

Fazit:

Schwer wie ein Weinfass und ebenso dick offeriert der Diogenes-Verlag hier eine runde, erstaunenswerte Sammlung, die Loriot als Entertrainer zeigt. Als wahren Unterhaltungskünstler, der nur mit Stift, Papier und ab und an einigen Farben ein Lächeln auf die Gesichter der Leser zaubert, oder sogar den Kunstfreund anregt und begeistert. Ein mächtiges Werk, dass jedem Fan das Herz aufgehen lassen wird.

 

Schreibe einen Kommentar