Das ist ja mal was ganz anderes: Das Spiel ist eine Mischung aus Wolfgang-Menge-Fernsehspiel, Robocop und Selbstcoaching, eine durch und durch investigative Selbstfilettierung, der Versuch, sich an das Gegebene anzupassen und vorneweg: es ist eigentlich kein Spiel, es ist Lebenszeremonie. Genau so gut könnten Sie in einem tibetischen Kloster weilen und sich den strengen Regeln der Lebensführung dort unterziehen. Für jemanden, der sprunghaft, nachlässig oder allzu lässig ist, macht dieses Kartenwerk keinen Sinn, denn es fordert viel vom Spieler heraus. Erinnern Sie sich an Wahrheit oder Pflicht? Seltsame pubertäre Spielchen? So ähnlich ist dieses Spiel, nur doch viel tiefer und anders. Zu verraten, worum es hier geht, macht insofern keinen Sinn, als dass das Spiel dann nicht mehr vernünftig durchgespielt werden kann. Nur so viel: Haben Sie schon einmal getötet, sind Sie fremd gegangen oder haben Sie vor in nächster Zeit ein Kind zu zeugen oder Häuser zu bauen? Dann sind Sie hier richtig, oder aber auch Ihr Scharfsinn. Denn töten tut man im Sommer bei Mückenplagen hin und wieder ohne dass es einem bewusst wird, nicht wahr?
Dass das Spiel nach dem Gebrauch unbrauchbar ist, muss nicht sein. Man kann die Forderungen, die auf den Karten selbst einzutragen sind, ja auch in einem Extraheft notieren und die Karten, die zerschnitten, gepflanzt (ja, das kommt alles vor) oder andersweitig benutzt werden sollen, mit alternativen Gegenständen nutzen. Also theoretisch kann man es dann nach Beendigung weiter verschenken. Die Frage ist nur: wann ist es zu Ende?
Wie funktioniert es eigentlich? Sie können dieses Spiel erst dann erwerben, wenn Sie diese Rezension gelesen haben; genau so funktioniert das Prinzip, wenn man von einer zur nächsten Karten kommen möchte. Erst die Bedingung erfüllen, dann weitermachen.
Die Autoren Rene Haustein und Mathias Spaan haben sich zusammen mit dem Huch-Verlag da ein schönes goldenes Ei gelegt, das wahrscheinlich nicht auf die Bestsellerlisten kommen wird – aber genau so ist der Weg des Adepten nun einmal. Einsam, introvertiert und ziemlich mühselig. Aber die Spannung und das Selbstcoaching sind unübertroffen – ein wirklich gelungener und einzigartiger Schatz auf dem Spielmarkt.
Und abschließend mal was ganz anderes: warum steht eigentlich auch bei diesem Spiel der obligatorische Hinweis, dass Kleinteile von Kinder unter drei Jahren verschluckt werden können? Es handelt sich nämlich ausschließlich um stabile Karten in der Größe eines Mini-Smartphones. Das Kind wollen wir sehen, dass sich diese breiten Dinger ins Maul schiebt und daran erstickt. Noch sind wir nicht durch mit allen Karten – gut möglich, dass das noch eine der Aufgaben ist, die es zu erfüllen gibt.
Fazit:
Einmaliges Erlebnis für Selbstverwandler und Forscher, für Entdecker und rücksichtslose Spielwesen. Ist besser, weil vitaler, als jedes dröge Buch der Persönlichkeitsentwicklung und lustiger und schwerer als jede Patience. Definitiv ein außergewöhnliches Spiel, Pardon Lebenswerk.