Sternenkinder

Clara Asscher-Pinkhofs Sternenkinder als Mahnmal für den Holocaust!

Zur Autorin

Clara Asscher-Pinkhof wurde 1896 in Amsterdam geboren und unterrichtete seit 1941 jüdische Kinder in der, von Deutschland besetzten, Niederlande. Ab Mai 1943 begleitete sie jüdische Kinder auf ihren Wegen vom Amsterdamer Ghetto bis in die Konzentrationslager (bspw. Bergen Belsen). Die verschiedenen Etappen dieses Zuges schilderte sie letztlich in ihrem Buch „Sternenkinder“, welches 1946 erstmalig in den Niederlanden erschien. Erst 1961 wurde eine deutsche Fassung publiziert, welche direkt ein Jahr später mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde. Der historische Hintergrund für diese enorme Popularität, in gerade dieser Zeit, liegt in den politischen Vorraussetzungen. Speziell die DDR-Staatsführung war in dieser Periode stark darum bemüht ihr Verhältnis zum Staat Israel neu zu definieren und zu festigen. Der anhaltende Leseerfolg lässt sich aber nicht nur durch die staatliche Editionspolitik und die politischen Bezüge erklären. Die Gründe hierfür werden im Teilbereich Inhalt näher beleuchtet.

Während ihres KZ-Aufenthaltes (Bergen-Belsen) gehörte sie zu einer der 250 jüdischen Gefangenen, die durch einen einmaligen Gefangenenaustausch mit Palästina, aus der Hölle des KZs entfliehen durfte und dadurch den Shoa überleben konnte. Ein weiteres bedeutendes Werk der Autorin ist „Aan de wal“, von 1932 welches ihr den Preis für das beste Mädchenbuch einbrachte. 1984 im Alter von 88 Jahren starb Clara Asscher-Pinkhof in Haifa (Israel).

Zum Inhalt

Das Werk ist auf seinen 227 Seiten in 4 große Kapitel eingeteilt mit jeweils kleinen unzusammenhängenden Einzelessays: Sternenstadt, Sternenhaus, Sternenwüste und Sternenhölle. In allen Kapiteln werden die Geschichten von jüdischen Kindern in anonymisierter Form (keine Namen oder Orte) beschrieben. Dabei werden ihre Ängste und Sorgen teils schonungslos und unreflektiert an den Leser weitergegeben und erzeugen dadurch eine ganz emotionale Stimmung beim Leser, welcher sich trotz der Anonymität mit den handelnden Personen identifizieren kann. Diese Nähe am Leser schafft eine enorme Authenzität was wiederum dazu führt, dass man gemäß Lessings Poetik mit leidet und Mitleid empfindet aus kindlicher Perspektive sowie aus Sicht der Erwachsenen.

Das erste Kapitel (Sternenstadt) steht synonym, wie auch die anderen Kapitel, für eine womöglich kindliche Bezeichnung für das Amsterdamer Ghetto in welchem die jüdischen Kinder durch die deutsche Besatzung ein neues, anfangs noch aufregendes, reglementiertes Leben mit vielen Verboten (Ausgangssperre) und Vorschriften (tragen des Judensterns) führen müssen. Der Weitertransport ins Sternenhaus, nach der Verhaftung der meisten Bewohner des Ghettos , zeigt kindliche Naivität und das Unverständnis für die prekäre Situation. Die Kinder hoffen auf ein Wunder mit welchem sie nach Palästina reisen können um dort ein besseres Leben führen zu können. Der Befehl, dass alle Juden Amsterdam verlassen müssen bringt sie jedoch in die Sternenwüste (Durchgangslager Westerbork). Dieses Kapitel ist davon geprägt das die Enge, der Ekel, Hunger und Verzweiflung dem Leser vor Augen geführt werden, sowie die allgegenwärtige Präsenz der Montage (Tag des Abtransports). Das Ende markiert die Sternenhölle (Vernichtungslager) mit seinen unerträglichen Lebensbedingungen aber der dennoch kleinen Herden des jüdischen Lebens mit seinen Festen und Feiern. Der Glaube an Gott stellt für viele das letzte in ihrem Leben dar. „Sternenkinder lernen [dort] keine Geschichte, sie leben sie“ und ohne diesen Überlebenswillen wäre die Geschichte des jüdischen Volkes schon zu Ende, so der Appell an die Kinder im Lager. Ein Silberstreif markiert die Aussicht des Austauschs für die 250 glücklichen Besitzer der Palästina-Papiere, welche dadurch das Lager verlassen dürfen. Bei den Betroffenen herrscht lange Zeit Unglaube über die tatsächliche Ausreise, doch mehr und mehr werden sie sich des Überlebens sicher und blicken hoffnungsvoll in ihre Zukunft.

Kritik und Fazit

Kritisch anzumerken gibt es an sich wenig, lediglich die Historizität der besagten 250 Juden bleibt kritisch zu hinterfragen. Bei meinen Recherchen zur Frage konnte ich leider keine glaubhaften Belege finden.

Außerdem bleibt noch anzumerken, dass manche Stellen des Buches das Leben im KZ, in meinen Augen, zu beschönigend darstellen, was aber wiederum auch womöglich auf die Erzählperspektive zurück zuführen ist.

Meines Erachtens ist dieses Buch jedoch sehr unterschätzt, weil es heute wenig anerkannt bzw. überhaupt bekannt ist, was sehr schade ist aufgrund seiner schonungslosen und emotionalen Darstellung eines so brisanten Themas. Auch Kinder sind im Holocaust ums Leben gekommen, was jedoch nur sehr wenig in der Prosaliteratur der damaligen Zeit und auch heute rezipiert wurde/wird. Daher ebnete „Sternenkinder“ sehr früh den Weg einer Aufarbeitung des Menschenmordes an Kinder aus kindlicher Perspektive.

1 Gedanke zu „Sternenkinder“

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