Sternstunden der Menschheit

Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit: Vierzehn historische Miniaturen
Zeugnis literarischer Weltklasse

Manchmal stimmt einfach alles. Der Genius des Augenblicks, der ganz besondere Moment und die Kostbarkeiten des Daseins drücken sich in allem aus, was die Situation für diejenigen bereit hält, die Teil dieses Wunders werden. Stefan Zweig hat vierzehn dieser prickelnden Momente, die nicht immer glücklich oder fröhlich sein wollen, zusammengestellt und sich selbst und seinem Werk die fünfzehnte Glückseligkeit anbei gegeben.

1927 wurden die Sternstunden zusammengestellt, eine der erfolgreichsten Veröffentlichungen des umfangreichen Werkkatalogs des 1942 im Exil in Brasilien gestorbenen Österreichers. Im Nachwort der neuen Auflage des Fischer-Verlages lässt sich amüsant nachlesen, wie der Verfasser selbst Teil der publizistischen Aufmerksamkeit geworden ist. Es mögen doch bitte Rezensionsexemplare verschickt, die Buchstaben nicht so gedrängt aneinander gesetzt und der erste Erfolg verkaufter Ausgaben der Presse mitgeteilt werden. Nette Einblicke in das narzisstische Seelenheil eines famosen Autors.

Die vierzehn Miniaturen, so der selbst gewählte Begriff für diese historischen Minirekapitulationen, spannen von der Antike bis in die Neuzeit einen Bogen von den ganz besonderen Momenten der Menschheit. Napoleons Waterloo, der norwegisch-britische Wahnsinnswettlauf zum Südpol, die Eroberung Byzanz oder Ciceros Abstieg beim Aufstieg Cäsars sind einige der spannend und feinfühlig wiedergegeben Geschichten der Geschichte. Man könnte sie rein inhaltlich auch in einem Schulbuch wiederfinden, die große Kunst der Prosa und der Augenwinkel des Persönlichen, des Tropischen, ziseliert aber nur Stefan Zweig so gekonnt.

Bahnbrechend, überragend, atemberaubend: Die Großartigkeiten für die längste Erzählung dieses Bandes können einem niemals ausgehen. Das erste Wort über den Ozean ist die Geschichte schlechthin. Die erste Verlegung der heute noch die Weltmeere belagernden Metalldrähte, über die Telegraf, Telefon und heutzutage auch teilweise das Internet, verschaltet werden, ist nicht nur ein sozialer Kommunikationsmythos, sondern ein literarisches Prunkstück, das seinesgleichen sucht.

Stefan Zweig ist selbst noch Teil positivistischen Erbes des 19. Jahrhunderts. Historie ist demzufolge Nacherzählung der Wahrheit und die Sternstunden der Menschheit sind ein Segen für den Arbeitsethos und die Moral der aufgeklärten Moderne. Das muss man nicht immer gut finden, sein schriftliches Erbe und das große Können aber kann man nicht nicht lieben. Gerade mit den Sternstunden verschaft man sich den Eintritt in die große, bunte Welt deutscher Sprachschönheit.

Fazit:

Die Sternstunden der Menschheit sind ganz nebenbei eine Sternstunde der Literatur. Wer deutsche Wunderwerke abseits von inhaltlicher Grandezza oder emotionaler Monstrosität, sondern primär als kunstfertiges Erschaffen schriftstellerischer Güteklasse goutieren will, darf dieses Buch nicht verpassen. Es ist eines der schönsten Erlebnisse, die man als Leser genießen kann.

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