Talat
Ein Loblied auf die Strategie
So viel sei vorneweg gesagt: Selten hat mich ein Spiel sofort so begeistert wie Talat. Ein strategisches Brettspiel, das es locker und leicht mit den Klassikern des Genres wie Schach, Dame oder Mühle aufnehmen kann. Wirklich mit diesen Großmeistern? Ja, denn ein einfaches, aber packendes Spielprinzip sowie eine schnell verständliche Aufmachung und schon sitzt man grübelnd und schnaufend mit seinem Stein an der Hand und fragt sich tausendfach, ob es nun nach rechts, links oder gar auf dem anderen Spielfeld weitergehen soll.
Talat ist das Spiel zu Dritt (durch eine einfache Abwandlung auch zu zweit), denn das Wort kommt aus dem Arabischen und lautet ganz einfach Drei. Und schon der Aufbau ist spektakulär: drei Spielfelder werden so aneinandergelegt, dass ein Dreieck entsteht und jeder der drei Spieler zwei Spielfelder vor sich hat.
Die jeweils fünf mal fünf Spielfelder werden am Anfang von der Linie der eigenen Farbe, am anderen Ende von der des jeweiligen Gegners durchzogen. Eines von zwei Zielen ist es, mit seinen Steinen auf die gegenüberliegende Seite zu ziehen; und das mittels einfachen Gangoptionen, wie sie der Bauer im Schach seit Jahrhunderten vormacht. Die zweite Aufgabe ist es, die gegnerischen Figuren, die sich auf dem Weg zwangsläufig begegnen werden, zu schlagen. Für das eine gibt es fünf, für das andere drei Punkte, wer am Ende die meisten hat, gewinnt. Eigentlich simpel, aber es ist alles andere als das.
Denn die Figuren sind unterschiedlich. Neun Stück hat jeder (so dass ein Startfeld am Anfang leer bleiben kann) und sie unterscheiden sich in drei verschiedenen Größen (groß, mittel, klein) und je drei verschiedenen Kantenzahlen (sechseckig, viereckig, dreieckig). Größe und Kantenanzahl schlagen, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen, von oben aufsteigend den niederen.
Besondere Bedingung: Die kleinen Steine sind vor den ganz Großen geschützt, ebenso kann der schlechteste Stein (nämlich das kleine Dreieck) den besten Stein(das große Sechseck) mit der pfiffigen David-gegen-Goliath-Regel aus dem Spiel werfen. Das erinnert an eines der klügsten Strategieanforderungen aller Zeiten, nämlich die Taktik von Stratego, einem weiteren Kultspiel der Brettspiele.
Doch Talat ist viel einfacher und schneller gespielt als Stratego. Auf den ersten Blick sind Form und Größe der hervorragend edlen Spielsteine ersichtlich, die Felder sind klein und theoretisch kann ein Spiel auch schon mal locker in zehn Minuten vorbei sein – ja, wenn man nicht so viel nachdenken müsste. Denn jeder Schritt will wohl überlegt sein, ganz ähnlich wie beim Schach kann und sollte man viele weitere nachfolgende Optionen in Betracht ziehen. Wer schlägt wen? Wer schützt wen (zum Beispiel, in dem sich ein kleiner Stein einem großen Stein in den Weg stellt, um einem mittleren zu helfen)? Wer kommt bis ans Ende an die andere Linie?
Auch das ist nicht so einfach, denn das Spielfeld wird eingefroren, sobald keiner mehr einen anderen schlagen kann. Da alle nur vorwärts ziehen können, ist dies schnell ersichtlich und schwuppdiwupp ist das Feld nicht mehr bespielbar und man hat drei eigene Steine kurz vor der Ziellinie gestrandet.
Bruce Whitehill, der mittlerweile in Deutschland lebende Spielautor, hat mit diesem Prachtstück sein Meisterwerk abgeliefert, das völlig zu Recht in die Auswahl des höchsten aller deutschen Spielepreise gekommen ist und natürlich auch schon den ein oder anderen Award abgeräumt hat. Meines Erachtens lässt sich da Spiel auch prima zu zweit spielen, dann übernehmen nämlich beide Spieler je eine Hälfte des dritten Gegners und steuern den Zihin, den Geist.
Fazit:
Ein überragendes, geniales Spiel, ob zu zweit oder zu dritt ein tiefer Strategiegenuss mit einfachen Regeln und wunderbaren Spielfiguren. Das fantastische Gefühl an zwei (oder drei Feldern) gleichzeitig aktiv zu sein, erinnert an Schachgroßmeister bei Einladungsturnnieren, nur dass ihr hier selbst der Großmeister sein könnt. Dieses Spiel wird mit Sicherheit auch in vielen Jahrzehnten noch in den Hitlisten aller Zeiten auftauchen. Uneingeschränkt zu empfehlen!