The Night of the Rabbit

Daedalic Entertainment: The Night of the Rabbit

Weißer-Hasen-Zauber

Was hat der Mann mit dem Künstlernamen Lewis Carroll nicht alles für seine Nachwelt getan. Er hat im 19. Jahrhundert nicht einfach nur ein Buch geschrieben mit dem Titel Alice im Wunderland, nein, er hat gleich massigfache Allegorien und Metaphern für die sich selbst reflektierend Nachwelt hinterlassen. Eine der berühmtesten ist der weiße Hase (wahlweise das weiße Kaninchen), der ja gleich zu Beginn dieses phantastischen Romans, den Weg in die Traumwelt weist. Musiker, Maler, Schriftsteller und nun endlich auch Computerspieldesigner haben sich an diesem Bildnis gütlich getan.

The Nicht of the Rabbit ist das neueste Meisterwerk aus der norddeutschen Premiumschmiede für Adventurespiele, von Daedalic Entertainment. Mit viel Vorschusslorbeeren und großen Werbestrategien verkürzt es die Zeit zwischen dem zweiten und dritten Teil der grandiosen Deponia-Serie. Zunächst einmal: allein das opulente Beiwerk zeigt, wie professionell und unterhaltsam die Produkte mittlerweile angeboten werden. Neben dem Spiel warten zwei, im Übrigen richtig geile Poster, der Soundtrack auf CD, plus – was ganz Neues – einem Hörbuch aus dem Mauswald: very smart.

Smart sind natürlich auch die Charaktere im Spiel selbst, vor allen Dingen der mysteriöse Hase, der aber so ganz anders als das Kaninchen in Carrolls Roman auftritt. Fein gekleidet, mit Namen Marquis de Hoto, wandelt er zwischen den Welten; man will nicht wissen, welche Stoffe die Autoren dazu verleitet haben, so offensichtlich und feinfühlig zwischen der materiellen Welt unserer Sinne und der spirituellen Welt unserer Träume hin und her zu wandeln. Der Hase ist selbstredend das Symbol in diesem Spiel dafür schlechthin.

Hauptfigur ist aber Jerry Haselnuss, der seit Zak McKracken und Guybrush Threepwood konformste Held aller Adventures. Egal ob in Deponia, Bartholomäus Fluch oder Jerry Kane: Kein Adventure kommt heute ohne diesen zumeist vorlauten, humorseken, jugendlichen Möchtegern-Held aus, der mit der richtigen Prise Intelligenz, Slapstick und Coolness gezeugt wurde. Jerry Haselnuss macht da keine Ausnahme; ehrlich gesagt, es macht ja auch Spaß mit ihm zu interagieren und mit ihm zu kommunizieren, aber irgendwann – so hofen wir – wird es in dem Adventureuniversum mal Was! Ganz! Anderes! geben.

Desweitren tummeln sich tolle Gestalten wie der alte Magier, Kitsune der Fuchs oder die grandiosen Mondlicht-Nomaden in dem Spiel herum, das sich in erster Linie dadurch auszeichnet, die moderne Entfremdung der bürgerlichen Rationalität in treffender, grafisch ausgezeichneter und spielstarker Stimmung umgesetzt haben. Der krasse Gegensatz zwischen Betonbauten in der Stadt und die Magie alter Bäume im Wald, hui, da kann mal richtig wehmütig werden, und muss attestieren: im Gegensatz zu Piraten- oder Detektivgeschichten ist diese Welt – trotz all ihrer magischen Bestandteile – auf unheimliche Art und Weise real.

Von der Spielsteuerung ist alles wie erwartet, sprich also formidabel, samt optionaler Hotspot-Taste, smarten Shortcuts und kompletter Maussteuerung. Dazu die übliche Rätsel, die mittlerweile fast schon wieder aktuelle Retro-Kopierschutzabfrage (mit orangenem Zauberring) und ganz exklusiv die Möglichkeit Zaubersprüche anzuwenden (hats auch schon irgendwo irgendwann mal gegeben, spielt sich aber trotzdem ganz neu und aufregend) sowie der geniale Wechsel von Tag und Nacht, mit dem man auch manche Rätsel zu lösen hat.

Fazit:

Sind wir fast schon so weit, dass wir sagen müssen: die Spiele sind ja immer gleich gut, das wird ja langweilig? Keineswegs, denn der Realitäts-Bezug ohne zwanghaft witzig sein wollende Dialoge (sondern tatsächlich mal klare, wirkliche und von daher vielleicht langweilige) Gespräche, hebt dieses Spiel auf eine psychologisch sehr interessante Stufe. Der Grafik-Sound-Service stimmt ja sowieso. Also Freunde: Viel Spaß mit dem Hasen aus dem Hut!

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