Michael Müller: Toscana: Reiseführer mit vielen praktischen Tipps
Kirchen im Urlaub
Hier kocht der Chef selbst, möchte man frohlocken. Oder, und um es anders zu formulieren, der Anführer geht mutigen Schrittes voran. Naja, mutig ist es natürlich nicht, wenn man einen Reiseführer über die Toskana verfasst (mutig wäre eine Reiseführer über Lima; besonders mutig wäre ein Reiseführer für Heilbronn – aber ja, so was gibt es tatsächlich!), aber eben selbstreferentiell. Denn der Michael-Müller-Verlag heißt nicht nur so, weil die deutschen Allerweltsnamen Hochzeit feiern wollten, sondern weil es ihn wirklich gibt: den Idealisten, den Vordenker, den Andersreisenden: Michael Müller. Und genau der präsentiert in seinem eigenen Verlag die vielleicht beliebteste aller italienischen Regionen.
Zunächst möchte man nach intensiver Lektüre einmal folgendes festhalten: die Toskana (wahrscheinlich ganz Italien) besteht zu 93 Prozent aus Kirchen und Klöstern, hinzu kommen ein paar Ristorantes und Campingplätze. Ganz so übertrieben ist es natürlich nicht, aber im katholischen, vom Krieg nicht verschonten, aber auch nicht zerstörten Italien, stehen halt nun mal an jeder Ecke diese uralten Steinbauten rum. Und Michael Müller hat dafür ein großes Faible. Denn jeder große und kleine Ort wird nicht dadurch beschrieben, wie anmutig er in der Landschaft liegt oder wie eigen die Leute sind, sondern wo und wie die erstbeste Kirche zu erreichen ist. Man stellt sich das so vor: Michael Müller fährt durch Italien und trifft einen Ort. Dann lässt er alle Menschen, Bäume und Gerüche links liegen und stürzt sich wie ein läufiger, wiewohl gut erzogener, Hund auf den Ort, wo die Glocken schlagen.
Eben das macht diesen Verlag aus. Die persönliche, charakteristische, immer eigene Note des Autors. Und keine Sorge, hier werden nicht nur Kirchen, sondern auch Unterkünfte, Ausflugstipps, Feste, Geschichten, lukullische Besonderheiten und Hintergründe en masse feilgeboten. Doch diese ganz persönliche Note dieses Autors zielt auf die, wissenschaftlich sagt man so schön schaurig, infrastrukturelle Anordnung der italienischen Städte.
Vom Ansatz und vom Aufbau her sind die Reise (und Wander-)führer dieses Hauses ganz großer Sport. Klar, hilfreich, mit einer Vielzahl von übersichtlichen Karten, mit einer sauberen Einleitung, mit gut gegliederten Kapiteln, in denen man immer weiß, wo man sich gerade befindet. Mit wenigen, aber aussagekräftigen Fotografien, dafür mit mehr Karten und Basis-Infos, wie Flächen- und Einwohnergröße, Touristeninformationen und vor allem einer Menge persönlicher Noten – Beispiele gefällig? Camping-Maschinen nennt der Autor zu Recht riesige Unterhaltungszonen, die früher einmal an Wigwams und freie Natur erinnerten. Manche Cafés sind charmant, manche Pizzen mörderisch, so mancher Wein süffisant.
Negativ macht sich die Individualität des Reisenden nur dann bemerkbar, wenn man feststellt, dass Hunde (manche nehmen ja auch andere Tiere mit) oder Kinder jetzt nicht so in Betracht kommen. Na, das ist noch untertrieben. Sie haben bei Individualreisen keinen Platz, aber dessen darf man sich ja vorher bewusst sein. Als Single, Paar oder Gruppe, die nicht nur einen guten Überblick, sondern auch viele Hintergrundinformationen und eine feine Schreibe wollen – hier ist er: der ultimative Reiseführer.
Fazit:
Wer Kirchen liebt, dürfte schätzungsweise mehrere Jahre Spaß an der Toskana und mit diesem Führer hier haben. Wer die Etrusker als Namensgeber der Toskana kennenlernen will, ist ebenfalls richtig. Und wer massive Informationen ohne Foto-Schnick-Schnack, ohne dumme Karten (sondern mit guten) und mit ganz viel Überblick und Cleverness will, der reise individual – auch zusammen.