Tritcheon Hash von Sue Lange

Tritcheon Hash von Sue Lange

Die Welt:

Der Roman spielt im 3. Jahrtausend; das Weltall ist besiedelt und es gibt ein „Universelles Gesetz“, das alle Bewohner bindet.
Die  35jährige Tritcheon Hash ist eine der besten Pilotinnen von Coney Island, einem nur von Frauen bewohnten Planeten in einem weit entfernten Sternensystem jenseits der Andromeda. Etwa tausend Jahre zuvor waren die Frauen der Erde dorthin übergesiedelt, nachdem sie endgültig die Nase voll hatten von der Brutalität und Asozialität der Männer.  Es gilt ein wechselseitiges „Betreten-verboten“.

Seinerzeit nahmen die Frauen tiefgekühlte Spermien mit, um die Nachkommenschaft der Menschheit zu gewährleisten. Auf einem neutralen Planeten werden einmal im Jahr die einjährigen männlichen Kinder den Männern zur Aufzucht übergeben und die Frauen erhalten im Gegenzug Nachschub. Auf beiden Planeten werden die Kinder von einem gleichgeschlechtlichen Elternpaar aufgezogen; auf der Erde heiraten Männer Männer, auf Coney Island werden die Ehen zwischen Frauen geschlossen und die Mechanismen der Beziehungen gestalten sich von Liebe über Eifersucht bis zur Untreue „wie immer“.
Das Leben auf Coney Island ist friedlich; doch gibt es eine militärische Struktur für den Fall, dass es notwendig würde, den Planeten zu verteidigen.  Die damit rechnen, sie könnten eines Tages von den Männern überfallen werden, gelten freilich als ein wenig paranoid.

Die Geschichte:

Die Frauen beobachten die Entwicklung auf der Erde, die von den Männern immer mehr zugrunde gerichtet und von Kriegen gebeutelt wird.  Doch weder aus ihren eigenen Beobachtungen noch aus Berichten können sie sich ein vollständiges Bild machen. Das genaue Studium des Treibens auf der Erde wird dadurch verhindert, dass sie  von einer dichten Hülle aus Smog und Weltraumabfällen umgeben ist.

Das ist ein Problem, den mittlerweile gibt es zwischen den Führungen der beiden Planeten Geheimverhandlungen über eine mögliche Wiedervereinigung der Geschlechter. Die Frauen müssen wissen, ob sich die Männer inzwischen gebessert haben; aber natürlich trauen sie deren eigenen Aussagen nicht.

Coney Island braucht eine Spionin. Tritcheon Hash wird ausgewählt, weil sie in ihrer Jugend an einem gemeinsamen Ausbildungsprogramm mit männlichen Jugendlichen von der Erde teilgenommen hatte, somit ein wenig über Männer weiß. Mehr sogar, als ihre Vorgesetzten ahnen, hatte sie damals doch heimlich einen der Jugendlichen in dessen Unterkunft besucht und ihn bei der Gelegenheit sogar nackt gesehen. Tritcheon ist nämlich ein rebellischer, undisziplinierter Charakter – auch ein wenig oberflächlich: Beispielsweise studiert sie vor ihrem Abflug  statt der Wälzer mit Anweisungen und Sicherheitsvorschriften lieber die Schnapsflaschen, die der Zimmerservice liefert.

In der Folge ist Tritch nicht nur unzulänglich auf ihren Spionage-Auftrag vorbereitet, sondern legt auf der Erde auch eine Bruchlandung hin. Sie schlägt in der Nähe von Chicago auf.

Einer der jungen Männer aus dem seinerzeitigen Ausbildungsprogramm, Slab Ricknoy, ist just dort zu einem Armeeführer aufgestiegen: Sie gerät ihm in die Hände. Er vermutet ihn ihr eine Spionin „der anderen Seite“: Der Feind habe sich mit den Frauen verbündet, um den aktuellen Krieg zu gewinnen. Um sie auszuhorchen, wendet er sich an Bangut Wahlt, der zufällig gleichfalls in der Gegend lebt
Bangut Wahlt ist als Charakter das Gegenteil von Slab Ricknoy: Er ist trotz der militärischen Ausbildung Pazifist  und arbeitet als Wissenschaftler an der Universität.

Tritch gelingt es, mit Hilfe von Bangut Wahlt zu entkommen. Er bringt sie zu sich nach Hause. kümmert sich darum, den Status von Tritch zu legalisieren und zeigt ihr das aktuelle Leben in Nordamerika. Sie verlieben sich ineinander und Tritch beginnt zu glauben, sie könne Coney Island die Wiedervereinigung empfehlen … Spoiler

Umsetzung:

Die Autorin nimmt einen relativ langen Anlauf, um die LeserInnen in ihre Welt und das Leben ihrer Protagonistin einzuführen. Dazu  kommt eine Rückblende auf das  Ausbildungsprogramm, während dem Tritch die beiden Männer kennen lernt.
Was trotzdem ein wenig unerklärlich bleibt, ist, warum es unter den führenden Frauen auf Coney Island – seit längerer Zeit – Bestrebungen gibt,  ein neues Zusammenleben von Männern und Frauen hrebeizuführen.

Obwohl dies ein Science Ficton-Roman ist, in dessen Mittelpunkt  die Gesellschaften stehen, hat die Autorin sich auch in vielen Details um die technologische Seite ihrer Geschichte gekümmert und ist teilweise auf verblüffende Ideen gekommen, wie zum Beispiel das Abernten der Schadstoffe aus der Luft

Charaktere:

Sue Lange ist nicht der Versuchung vieler SF-Romane erlegen, für die Zukunft heldenhafte Übermenschen vorzusehen.  Tritcheon Hash ist ein Charakter mit vielen persönlichen Unzulänglichkeiten. Neben der Hauptfigur hat die Autorin auch deren Ehefrau  viel Raum gegeben und das Bild einer problematischen Beziehung am Rande des Scheiterns gezeichnet.

Die beiden männlichen Hauptfiguren fungieren als Prototypen für die beiden Seiten der Männer.  Zu kurz gekommen ist  allerdings ein wenig, was die beiden antreibt.

Gelungen ist die Darstellung, wie Tritcheon und Bangut ihre Liebe füreinander entdecken und sie dadurch in einen Konflikt gerät, für den sie keinen Ausweg sieht. 

Fazit:

Feministische Science Fiction:  Sue Lang hat ein interessantes Weltenkonzept entwickelt und dabei auch an Details gedacht, die sich aus der radikalen Trennung der Geschlechter ergeben.  Beispielsweise heißen auf Coney Island beide Ehepartner „Ehefrau“ (wife) und auf der Erde „Ehemann“ (husband).
Dabei hat sie teilweise natürlich überzeichnet, wie Fiktion das ja darf.  Fortschritt und Freiheit auf Coney Island stehen die Verwahrlosung und Kriege auf der Erde gegenüber. Anfangs erweckt das Setting den Eindruck, die Männer lebten praktisch auf einer Müllkippe. Aber es gibt auch Hoffnung auf Veränderung, dargestellt in den landwirtschaftlichen Forschungen Banguts. Und auch technologisch ist die Erde nicht in die Steinzeit zurückgefallen. Eher im Gegenteil – und das wird noch zu einem Problem.
Die Menschen auf beiden Planeten sind „Menschen“ geblieben, schlagen sich in ihren Beziehungen mit Liebe, Eifersucht und Untreue herum.  Und die Frauen sind auch nicht immer fein: Tritch flucht wie ein Kesselflicker.

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