Irgendwie schön, wenn sich Realität und Fiktion in so bestechender Weise begegnen. Die Pyramiden Ägyptens zählen nicht nur zu den Weltwundern, sondern sind in ihrer Geschichte und Architektur bis heute eine Faszination, ein Urstoff für Legenden und Mythen. Vielleicht nicht gerade als Weltwunder, so doch aber als legendäres Spiel versucht sich Imhotep aus dem Kosmos-Verlag dieser Grandezza anzuschließen. Und das vorneweg: es gelingt hervorragend!
Der australische Spieldesigner Phil Walker-Harding ist dabei seiner persönlichen Obsession für ebene jene grandiosen Bauwerke gefolgt. Schon immer fasziniert von der Geschichte und Kultur Ägyptens (zu sehen zum Beispiel in nicht nach Europa konvertierten Kartenspielen wie Archaeology) wollte er selber Hand anlegen und Pyramiden bauen. So sind also die 120 Holzwürfel, mit denen man im Spiel auf verschiedenen Orts-, Boot- und Marktkarten hantieren darf, just der Aha-Effekt für die späteren Baumeister. Im Gegensatz zu vielen modernen Spielen, die eine Vielzahl von Gimmicks, kleine Warenplättchen und ähnliches Filigranzeugs, beinhalten, haben wir es hier also „nur“ mit den Holzblöckchen zu tun. Redundant und zugleich naheliegend und ansprechend.
Original Spielprinzip
Auch das Spielprinzip selbst ist ganz nahe am Original, so übrigens auch der Name des tatsächlichen (soweit das historisch nachvollziehbar ist) Baumeisters der großen Pyramiden Imhotep. So gilt es zunähst, die Steine zu besorgen, sie auf Boote zu verfrachten und zu den jeweiligen Bauplätzen zu schiffen. Die letzte der vier Aktionen, die in jeder Runde möglich sind, ist die Marktkarte, die wiederum für zusätzliche Aktionen gut ist. Diese Vereinfachung, nämlich nur vier Optionen pro Runde, lädt gerade zu Beginn die Spieler ein, ebenso die einfache und nachvollziehbare Anleitung. Das Spiel ist zwar innovativ und sehr nachvollziehbar aufgrund der realistischen Vorgabe, aber zugleich immer spielbar und simpel, wenn auch nicht ein Glücks- (ein wenig), sondern mehr ein Taktikspiel – nämlich die richtigen Züge zur richtigen Zeit zu machen.
Der Autor ist in der Entwicklung, wie er in einem Interview selber sagt, seiner eigenen Kreativität gefolgt. Waren es anfangs nur die Pyramiden, die gebaut werden sollten, haben wir es im Spiel schließlich auch mit Märkten, Grabkammern, Obelisken und Tempeln zu tun. Auch das: gutes altes Ägypten in seiner realistischsten Form, denn die Bauwerke werden mit den Klötzchen entsprechen ihrer Architektur nachempfunden. Das macht das Spiel so unglaublich wirklich. Es ist haptisch und plastisch ein Erlebnis.
Die herrlich gezeichneten Karten und (seien es die Runden-, Marktkarten oder auch Ortstafeln) tun der perfekten Sache ihr Übriges. Und auch die Spiellänge (40 Minuten) passt optimal ins moderne Anforderungsprofil. Übrigens können auch zwei Spieler ganz hervorragend miteinander wetteifern, in Sachen Taktik wird hier sogar noch etwas mehr benötigt als bei Mehrspielerrunden.
Fazit:
Dass es Imhotep „nur“ auf die Liste des Spiel des Jahres 2016 geschafft hat und es schließlich dann nicht geworden ist, sollte übrigens kein negatives Kriterium sein. Denn schließlich werden nur drei von tausenden Spielen überhaupt nominiert. Und diese Nominierung war absolut gerechtfertigt. So wie es gerechtfertigt ist, die Pyramiden als die größten und legendärsten Bauwerke der uns bekannten Welt zu bezeichnen. Imhotep hätte seine wahre Freude an diesem spielerischen Sequel gehabt.