Mark Stephens: Yoga-Workouts gestalten
Volles Yoga-Programm
Der Titel des Buches ist leider etwas irreführend. Denn Workouts, also eine moderne Form der Huldigung der temporären Zweckrationalität, werden hier zwar auch, aber primär zum Glück wirklich authentische Yogastunden und –folgen angeboten. Das Eine nämlich kommt von außen und ist nur fürs Außen gemacht (und von daher hat es nichts mit Yoga zu tun); das Andere ist von der Muse der altindischen Weisheit und der Wirklichkeit des Körpers geküsst – letzteres bringt Mark Stephens in einem großen, starken und sehr hilfreichen Buch an den Mann und die Frau.
Adressaten sind neben allen Yoga-Praktizierenden vor allen Dingen Yoga-Lehrer und –Dozenten, die hier tatsächlich einen ersten, weil umfassenden und selten dogmatischen Lehrfaden in die Hand bekommen. Stephens ist nicht der Erste, der Übungsfolgen anbietet, Methodiken vorstellt und versucht, das alles in einem schlauen Kompendium zu beherbergen; aber er ist tatsächlich der erste, der überall hingeschaut (man beachte allein schon mal das großartige und riesige Glossar und Literaturverzeichnis am Ende des Buches) und einen unaufgeregten, variierenden und sehr freien Mix anbietet, so dass tatsächlich jeder Lehrer später aus dem Fundus auswählen kann, was ihm und seinen Schülern liegt.
Und trotz aller Funktionalität vergisst Stephens nicht, eine schöne Einführung in die Philosophie vorauszuschicken, um dann mit einem großen Plus an didaktischen Hinweisen alles abzudecken, an das man beim Erstellen einer Yogastunde denken müsste. Vom Leichten zum Schweren, wie kann man eine themenbezogene Stunde gestalten, welche Asanas-Familien gibt es und wie spreche ich sie an; wie pirsche ich mich an Höhepunkte der Stunden heran, wie bereite ich sie vor, wie lasse ich sie ausklingen: all das und viel mehr wird ausführlich und immer sehr individuell (das heißt nur teilweise dogmatisch) formuliert.
Das größte Plus sind dann die einzelnen, unterschiedlich langen Übungsfolgen für Anfänger, Geübte, Fortgeschrittene, Kinder, Schwangere, Senioren sowie ein ganzes Bündel für therapeutische Indikationen. Das ist in dieser Fülle bislang nur beim Klassiker von Iyengar so zu finden, der sich durch seinen massiven Einsatz von Hilfsmitteln und nicht immer nachvollziehbaren Asanas deutlich schwieriger gestaltet, als jenes federleichte, so klug erstellte Kompendium wie dieses hier.
Das ganz am Ende des Buches nochmals alle Asanas, die hier vorgestellt werden, einzeln beschrieben werden, dass auch Chakren und Doshas angesprochen und physisch integriert werden, dass sogar die Klassiker von Bikram, Iyengar und Sivananda (und einige mehr) vorgestellt werden: Wow, das ist schon ein Pfund und ganz sicher für lange Zeit ein Ratgeber, den eigentlich jeder, der mit und für Yoga lebt, gebrauchen kann.
Natürlich ist nicht alles perfekt: die wahrscheinlich schon dem Amerikaner an sich mit der Muttermilch mitgegebene unnötige und gefährliche Ausrichtung auf Bauchmuskelübungen (es sind nur wenige in diesem Buch, aber auch die sind unnötig), das Fehlen des Atemtypes (unbedingt Anna Trökes hierzu beachten)und die nicht immer gelungene (bisweilen grotesk erscheinende) deutsche Übersetzung: aber das sind Marginalien, die keinen stören werden, wenn man bedenkt, was sich auf fast 400 Din-A-4-Seiten mit tausenden Fotos für ein Schatz auftut,
Fazit:
Muss man so sagen, kann man so rausschreien: ein wirklich umfassendes, wegweisendes und fast immer natürliches Kompendium an Yogaübungen und –Methodiken. Vor allen Dingen für Trainer und solche, die es werden wollen, wärmstens zu empfehlen.