Knallkopf Wilson – Mark Twain

Knallkopf Wilson – Mark Twain

Ironische Versklavung

Mark Twain wird nicht nur wegen seiner großartigen schriftstellerischen Erfolge besonders geehrt, nein, ihm ist auch ein besonderes astronomisches Schicksal widerfahren, was nicht viele Menschen von sich behaupten können.

Denn kurz nach seiner Geburt stand der Halleysche Komet am Himmel, der sich just viele Jahrzehnte später das erste Mal wieder für irdische Bewohner präsentierte, als Twain das Licht des Lebens aufgab.

Eine herrlich stellare Synchronizität, aber nicht unbedingt eine Steilvorlage für Twains Oeuvre. Denn er war gewiss kein Visionär, kein alchemistischer Seher oder ein philosophischer Tiefschürfer. Nein, Twain war einfach nur göttlich komisch und manchmal auch ein bisschen sarkastisch.

Im Lübbe Audio Verlag ist eine Kriminalkomödie erschienen, die sich am Mississippi zugetragen hat, und die, wie man schon am Ort des Geschehens erkennen mag, ganz eindeutig die Handschrift des großen amerikanischen Literaten Mark Twain trägt.

Bekannt für Tom Sawyer und Huck Finn, für Südstaaten-Walzer, Europabesuche, Schifffahrtsdampfer und gezwirbelte Wortspielereien, die nicht von ungefähr an den Bart des schelmischen Autors erinnern.

Knallkopf Wilson ist fünf CDs lang, in einer stilvollen Papp-CD-Box eingebettet und ein Bravourstück amerikanischer Selbstbeobachtung. Keiner kann so meisterlich den spitzen Zeigefinger heben, ohne dabei streng und mahnend daherzukommen, sondern doppeldeutig clever und smart wie ein Fuchs beim Schnüren.

Dawsons Landing ist der Schauplatz der Geschichte und der von den Bewohnern als Verrückter abgestempelte Jurist Wilson wird im späteren Verlauf der Geschichte ein amüsantes Verwechslungsspiel aufdecken.

Zuvor aber stehen Sklavinnen und Nigger, das Religions-, Ehr- und Sozialgebilde schwer protestantischer Kleinstädte des 19. amerikanischen Jahrhunderts im Vordergrund.

Das wäre an sich vielleicht traurig oder aber erschreckend langweilig, nicht aber wenn Twain den Beobachter spielt und den Novellist gibt.

Mit unpathetischer Größe verweist er alle Freidenker, Machtherrscher, Ausbeuter und Unterdrückte in ihre Schranken und lässt einzig und allein das Recht gesunder und einfacher Werte zu, denen sich der allzu kleine Mensch doch besser hingeben möge, als dem großspurigen und egozentrischem Wichtiggetue.

Unprätentiös ist der schöne Nenner, den Twain seinen Charakteren durch die Blume mitteilen will, auch wenn sie häufig genau das Gegenteil darstellen.

Einzig der Knallkopf Wilson entspricht wohl am ehesten dem Schriftsteller Twain, vor allen Dingen ersichtlich an den amüsanten Kalenderzitaten und Anekdoten, die den einzelnen Kapiteln voranstehen; der rezitierte Kalender von Wilson darf am ehesten aus dem Twainschen Oeuvre schöpfen.

Fazit:

Ein toller Roman, ein Stück amerikanischen Kulturgutes, ein Fass voll mit subtilem Witz und weinverliebter Beschwingtheit, mit Missouris großem Fluss und mit Heiko Deutschmann, der  überzeugt als Sprecher: mit viel Verve und Leidenschaft, mit Witz und Ironie, genau jenen Tugenden also, die Twain in seinen Romanen so hochhielt, präsentiert er den Knallkopf, der schlussendlich der wahre Held des Lebens ist.

Samuel Langhorne Clemens, so hieß Twain mit bürgerlichen Namen, hätte an dieser Interpretation sicher seine Freude gehabt und süß schmunzelnd in sich hinein gelächelt.

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