Dramen: Hörspiele

Bertold Brecht: Dramen: Hörspiele

Hörspiel- und Literaturgeschichte in Einem

Der Aigin ward katholisch getauft und liebevoll von seiner Mutter umsorgt. Erst viel später, als ihn das Feuer der Dichtung verbrannt, wurde aus Eugen Berthold Friedrich Brecht der Bert Brecht, den die Welt heute kennt. Nicht von ungefähr ist die Rezeption im Ausland fast noch größer als hierzulande, kein Wunder hatte er doch ob seiner kommunistischen Polittendenzen besonders in der deutschen Nachkriegszeit einen schweren Stand.

Bert Brecht ist Schulpflicht und somit vielen Menschen erst einmal hinderlich – wie schade und wie so oft im Wesen der deutschen Pädagogik. Lässt man Brecht abseits vom Zwang zu sich, entfaltet sich das ganze Panorama eines der größten deutschen Schriftsteller aller Zeiten, der vor allen Dingen durch seine symbiotischen Arbeitsweisen, seine Verbindungen zu Musik und Theater und seinen bedeutenden Nachlass wie ein Monolith erstrahlt. Achtung: mehr als 500.000 Brecht-Dokumente, darunter 200.000 Handschriften und Manuskripte sind als Dauerleihgabe im Archiv der Akademie der Künste in Berlin zu finden.

Wie gut, dass es der Audio-Verlag auf die Klassiker abgesehen hat, auf die ganz großen Momente dichterische Inspiration des 20. Jahrhunderts. Die Mutter Courage, der gute Mensch von Sezuan, das Leben des Galilei, die Trommeln in der Nacht, Furcht und Elend des dritten Reichs und above of it all die Dreigroschenoper warten auf zehn CDs mit gut 646 Minuten Laufzeit auf Kunstinteressierte. Kunst im weitesten Sinne, denn neben der literarischen Grundlage bestechen alle Produktionen mit einem edlen Gespür für Ton, Technik, Musik und Interpretation.

Besonders interessant: Die Hörspiele sind nicht etwa neu eingesprochen oder produziert worden, sondern sind selbst Teil deutscher Kunstgeschichte. Zwischen 1947 und 1974 wurden diese von den staatlichen Rundfunkanstalten in Deutschland und Österreich aufgenommen. Besonders authentisch, irgendwie nostalgisch, ist dabei das Phänomen des Dialekts. Selbstredend im guten Mensch von Sezuan, der vom ORF produziert wurde, aber auch in den anderen Stücken wird gewienert, berlinert oder platt gesnakt, was das Zeug hält. Einzig die ungewöhnliche, dafür aber umso wertvollere Einstiegssequenz, die das Drama literaturkritisch vorab kommentiert ist neu eingesprochen.

Die zehn CDs sind in einer schönen Box in smarte Plastikhüllen verpackt; dazu ein kleines, feines Booklet – so macht die Box auch äußerlich einen guten Eindruck. Was die lebendige Geschichte im Falle Brechts noch größer werden lässt, ist die tatsächliche Integration von Kollegen und Verbündeten. Kurt Weill, Paul Dessau oder Hans Eisler sind diejenigen, die bei den Aufnahmen als Komponisten integriert wurden – wie überhaupt ja die Musik bei Brecht einen großen Stellenwert einnahm. So kommt dieser Charakter bei den Hörfassungen extrem gut zur Darstellung.

Das Einzige, was man den alten Stücken anmerkt ist just ihr Geburtsjahr. So sehr sich die neuen Verleger auch bemüht haben; in Dolby Surround Qualität kommt das nicht daher – wie auch? Die zeitweilige Blässe der Artikulation muss man als historisches Ereignis interpretieren und sich dabei viel mehr an dem so ausdrucksstarken, heutzutage ja kaum noch so erlebten, Können der Sprecher erfreuen: Klausjürgen Wussow, Horst Tappert, Ernst Jacobi oder Maria Häussler sind nur einige der starken Stimmen.

Fazit:

Weltliteratur in künstlerisch hochwertigem Format. Von der Hülle bis zum Inhalt rund, saftig und äußerst gehaltvoll. Große Gelegenheit für große, symbiotische Kunst!

 

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