In 80 Frauen um die Welt

In 80 Frauen um die Welt von Thilo Mischke

Den Titel lesen und das Buch geistig abhaken ist eins. „In 80 Frauen um die Welt“ – da könnte genauso gut „Chauvinisten-Basics“ draufstehen. Wohl so eine Art Casanova für Arme, der Autor – oder?

Ja, Thilo Mischke hat es nötig, als er zu seiner Weltreise aufbricht. Schließlich würde er sie nicht antreten, wäre er nicht kurz zuvor von seiner Freundin verlassen worden. Wobei es der Autor ein wenig anders formuliert: „Ich hab mich getrennt, zumindest erzähle ich das meinen Freunden, denn es kommt immer besser, wenn der Mann sich getrennt hat. Eigentlich hat sie sich von mir getrennt. Aber andersherum ist es eben besser für das Ego. Besser zum Erzählen“, schreibt Thilo Mischke – und damit wird schon auf der ersten Seite klar, was ihn antreibt: Herzschmerz.

Der führt Thilo Mischke zu seinen Freunden in seinen Berliner Stammclub, und Wodka und Schnäpse wiederum führen die vier nicht mehr ganz so jungen Jungs auf eine ganz und gar pubertären Wettidee: einmal um die Welt reisen, dabei mit so vielen Frauen wie möglich schlafen und wieder zurückkommen. Schafft es der Weltreisende, kommen die drei anderen für die Kosten der Reise auf, schafft er es nicht, hat er zwar Ebbe im Geldbeutel, aber eine aufregende Reise hinter sich.

Wer das Buch bis hierhin erträgt, ohne es gegen die Wand zu donnern, für den kann sich Mischkes Reisereportage als bereichernd erweisen. „Ich habe keine Angst vor fremden Ländern, aber ich habe das Gefühl, ich habe Angst vor Frauen. Und ich reise wegen fremder Frauen. Schwierig“, schreibt der Autor auf Seite 13, und schon bekommt der so platt klingende Buchtitel Tiefgang. Da reist einer, um sich einer Herausforderung zu stellen. Und die besteht nicht, wie man annehmen könnte, im Reisen, sondern in der Annäherung an das andere Geschlecht.

Über 270 Seiten spannt sich der Erzählbogen, von Berlin über Polen und die Ukraine, Israel, Dubai, über Indien, Thailand und Hongkong, Japan und Australien, Fidschi, Neuseeland und Brasilien nach Island. Von Cannelle über Patrycia, Joana, Neema, Rosa, Laura und… ja, Laura. Laura trifft er in Dubai. Sie „ist warm und ich will diese Wärme, weil ich das Gefühl habe, schon seit Monaten zu frieren. Ich zweifle an mir selbst, muss aber zugeben, dass Laura wohl die bedeutendste Frau ist, die ich auf meiner bisherigen Reise kennengelernt habe. Weil sie die erste ist, die mir ein Gefühl gibt.“ Der Autor wird sie wiedertreffen, die Frau mit dem Gefühl, und die Rolle mit den Abreißnummern (ja, wirklich) wird irgendwann unwichtig werden. Gut so.

Er reist, lernt viel über das Spiel zwischen Mann und Frau, er beobachtet die länderspezifischen Spielregeln – und beobachtet dabei auch sich. Und bemerkt in Hongkong, dass das Reisepflaster, das er sich auf die Berliner Ex-Freundinnen-Wunde geklebt hat, Wirkung zeigt: „Ich habe die Schnauze voll von Clubs, von der Oberflächlichkeit, die nicht nur in Berlin Hindernis für ernsthafte Verhältnisse ist, sondern auch im Rest der Welt. Für die meisten Frauen ist auch die flüchtigste Begegnung emotional aufgeladen. Und im selben Augenblick stelle ich fest: auch für mich. Keine der Frauen war ein harmloser Fick. Niemand.“


Fazit

Thilo Mischke, der NEON-Autor, hat eine unterhaltsame, manchmal naive, zeitweise derbe, oft aber erstaunlich zarte Reportage geschrieben, die immer dann besonders fesselt, wenn er nicht über Frauen schreibt. Etwa in Dubai, als ihn der arabische Polizist wegen seines „hebräischen Tattoos“ – der Stempel aus Israel – über mehrere Stunden verhört. Oder in Buenos Aires, als ihn ein Urologe aufgrund eines schmerzhaften Mitbringsels kurzfristig aus dem Verkehr zieht.

„Während ich zu Hause, in Berlin, ein Kind, eine Frau, Ruhe und Langeweile wollte, habe ich auf dieser Reise gelernt, nichts mehr zu wollen, sondern nur noch zu suchen. Wo schlafe ich heute Nacht, wie viel ist die Abhebegebühr, was kostet ein Essen. Essenzielle Sorgen auf einer Reise, die immer ruhiger wird. Und etwas Neues ist dazugekommen. Aber es fühlt sich an wie eine Bereicherung.“

Auch das Buch ist eine Bereicherung. Das weltweite Balzverhalten studieren zu können, ohne den 80-Frauen-Trip selbst unternehmen zu müssen – das ist beflügelnd. Offensichtlich auch für den Autor. Der scheint dabei so auf den Geschmack gekommen zu sein, dass er vor einigen Wochen das Folgebuch vorgelegt hat. Und da steht wirklich drin, was der Titel verheißt: „Wir, intim. Das Sexbuch.“

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