Möchtegern

Inhaltsverzeichnis
Belletristik

Nightwish – Yesterwynde

Musik

Back To The 80´s: Schwarz auf weiß

Musik

Marina Marx – Wahrheit oder Pflicht

Möchtegern von Milena Moser

Inhalt
Die Geschichte ist ebenso einfach wie genial. Analog zu „Deutschland sucht den Superstar“ und „Germanys next Topmodel“ legt das Schweizer Fernsehen eine neue Castingshow auf. Gesucht wird der „Schreibstar“. Die Jury besteht aus einer Literaturkritikerin, einem Verleger und der Schriftstellerin Mimosa Mein. Die Zeit ihrer bekannten Bücher ist lange vorbei, sie lebt zurückgezogen und fast einsam in einem kleinen Dorf. Ihre sozialen Kontakte sind Gespräche mit dem Briefträger, ihrer Putzfrau und ihrer besten Freundin. Als dann das Schweizer Fernsehen sie bittet, bei der Castingshow mitzuwirken, sagt Mimosa überraschend zu.

Zwei parallele Geschichten
Das Buch besteht aus zwei Geschichten. In Ich-Form erzählt, angereichert mit zahlreichen Rückblicken, wird das Leben der Mimosa Mein erzählt und ihre Wahrnehmung dieser Show und des damit verbundenen Wettbewerbs. Parallel dazu werden – mitunter etwas weitschweifig – die Kandidaten vorgestellt. Nach mehreren Ausscheidungsrunden bleiben zehn Eleven übrig, die für mehrere Wochen in die Schreibfabrik einziehen. In den ausführlichen Einführungskapiteln ist es zunächst nicht einfach, den roten Faden des Buches zu erkennen. Aber dann wird es hochinteressant. Als die Show konkrete Formen annimmt und sich die Charaktere langsam formieren, beginnt die Handlung den Leser zu faszinieren und zu fesseln.

Die Show bekommt eine Eigendynamik
Die Fernseh-Macher haben die ganze Sache durchstrukturiert und vorgeplant, bis zur Person der Siegerin. Die Rededuelle zwischen Mimosa Mein, Kritikerin Michelle Schlüpfer und Verleger Gianni Wolfensberger werden von den Fernsehredakteuren angeheizt und perfekt in Szene gesetzt. Doch die Show und vor allem die Zuschauerreaktionen darauf nehmen eine ungeahnte Eigendynamik an. Zum einen gibt es offenbar sagenhaft viele Menschen, die selbst schreiben. Zum anderen nimmt das ganze Leben für Mimosa komplett neue Wendungen an. Dieses Hin- und Herpendeln zwischen der Geschichte der Schriftstellerin und der Handlung in der Show und in der Schreibfabrik macht schließlich einen großen Reiz des Buches aus.

Eine breite Palette an Kandidaten
Mimosa hat plötzlich einen neuen Liebhaber, den größten Schlagerstar der Schweiz – was wieder für neue Schlagzeilen, nicht nur in der Boulevard-Presse sorgt. Und, viel schlimmer: Sie leidet um die armen Kandidaten, die aus der Sendung ausscheiden – und passt damit so gar nicht in das Konzept der TV-Crew, die knallharte Abgänge für die Gescheiterten inszenieren möchte. Doch die Schreibstar-Kandidaten kämpfen für ihren Traum. Und die Palette ist breit, reicht von der Hausfrau, die aus ihrem eintönigen Leben ausbrechen will, bis hin zum Bürohengst, der lieber Kriminalromane schreibt. Und so sind einige ganz spezielle Kandidaten dabei.

Überraschungen im Mikrokosmos
In der Schreibfabrik werden die Eleven zusammen gepfercht, und dort gibt es – von den TV-Machern durchaus gewollt – Ausbrüche, Anfeindungen, Eifersucht. Eben viel menschliches, allzumenschliches – gnadenlos von den allgegenwärtigen Kameras eingefangen. Diese Mischung aus Kreativ-Casting und Big Brother fasziniert das Fernsehpublikum, ja, die ganze Nation. Obwohl die Kandidaten feststehen, gibt es weitere Einsendungen, selbst Mimosas Putzfrau outet sich als Möchtegern-Schriftstellerin. Nach der langwierigen Einführung hat auch die Geschichte von Milena Moser jetzt eine Dynamik, die den Leser ungemein fesselt. Und es gibt nicht nur Überraschungen für die TV-Zuschauer, auch dem Leser wird hier einiges angeboten. Das überraschende Ende – das an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden soll – setzt der ganzen amüsanten Geschichte schließlich die Krone auf.

Fazit
„Möchtegern“ hat mir außerordentlich gut gefallen, trotz gewisser Längen in den einführenden Kapitel. Die vielen Figuren und deren Geschichten sind nur am Anfang etwas verwirrend. Im Laufe der Zeit lernt man als Leser die Protagonisten und ihre Eigenheiten bestens kennen. Wie das Fernsehpublikum fiebert man mit, und ist schon gespannt, wer in der nächsten Runde wohl rausfliegen wird.

Der Roman ist eine herrliche Satire über den Literaturzirkus im Allgemeinen. Aber auch die TV-Macher bekommen ihren Senf ab, es wird wunderbar aufgezeigt, wie solche Produktionen manipuliert werden, um auf jeden Fall höhere Einschaltquoten zu bekommen. Und dann der Jahrmarkt der Eitelkeiten – in der Jury, bei den Kandidatinnen und Kandidaten, deren Familien und Freunden. Hausfrauen, Buchhalter, Einöd-Bauern, Hochstapler, ehemalige Studentinnen – es ist alles vertreten. Wenn die Geschichte den Leser erstmal gefesselt hat, ist sie wirklich amüsant, spannend und lesenswert. Nicht wegen knallharter Action, sondern durch Überraschungen, menschliche Momente und Tragödien.

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