Tod in Venedig

Inhaltsverzeichnis
Musical

Back To The 80´s: Chess

Musik

Michael Kiwanuka – Small Changes

Musik

Heinz Rudolf Kunze – Lauschangriff

Thomas Mann: Tod in Venedig

Mann, ist das ein Werk!

 

Thomas Mann zu lesen, kann ganz schön schwierig sein. Die ganzen Assoziationen, Verschachtelungen und Sätze, die nicht enden wollen; sprich: formale Strukturmonster noch und nöcher. Matthias Brandt zuzuhören dagegen, ist ein großer Genuss. Der Sohn von Willy Brandt (jaja, der große Willy Brandt) ist ein feinfühliger, pointierter Erzähler, der aus jeder noch so schweren Prosa ein zärtliches Momentum erschafft. Zahlreiche Preise als Sprecher und Schauspieler geben ihm Recht. Und so erleben wir hier eine gediegene, ganz wunderbare Hochzeit auf Weltliteratur-Niveau zwischen ehrbarem Autor und tollem Sprecher.

 

Goethe in Marienbad war tatsächlich die ursprüngliche Titelidee von Thomas Mann für das, was dann 1912 als Tod in Venedig reüssierte. Denn eigentlich war Mann fasziniert von der Tatsache, wie der alte, sabbernde Goethe kurz vor seinem Exitus einem blutjungen Mädchen – zum Schrecken beider Familien – den Hof machte und sie partout heiraten wollte. Diese groteske Verdrehung biologischer Humanität, die heutzutage ja jeder Industriemanager und B-Promi wie ein tumber Affe parodiert, wird von Mann letztlich auf allegorische Art und Weise auf den alternden Schriftsteller Gustav von Aschenbach übertragen, der sich homoerotisch vom jungen Tadzio, dem Apoll Venedigs, anziehen lässt.

 

Letztendlich wird der Dichter von der Cholera erschlagen, viel spannender aber ist die ausführliche Introperspektive Manns in Bezug auf das Seelenleben des notorisch rationalen und sich selbst kontrollierenden Individuums Aschenbach. Ein bisschen was von Mann selbst wird in dem Protagonisten auch zu finden sein. Immerhin war der Autor zu jener Zeit ja bereits ein gefeierter Schriftsteller; und trotz seines großbürgerlichen bisweilen großspurigen Lebensstils steckt ja jene moderne Rationalität tief in ihm, wie sich in der Konstruktion seiner eigenen Werke hervorragend ablesen lässt. Keine Phantasiegeschichten, sondern perfekte neorealistische Inszenierungen.

Die Allegorie des Todes steht als zentrales Motiv in jener Novelle obenan; so wie sie jede Nacht auf Erden als solche offenbar wird. Gespenstische Fremde, Friedhofseingänge, Abendstimmungen oder die Tiefsicht des Meeres: das deutet alles auf das hin, was sich physisch wie geistig über den Protagonisten niederlegen wird. Doch zuvor ist er fasziniert von der dionysischen Leidenschaft, dem Verlangen und dem irrationalen Wunsch nach Ekstase.

Daneben gibt es eine Unzahl von biographischen, mythologischen und historischen Bezügen, mit denen Germanisten seit langer Zeit eine unermessliche Anzahl von Seiten in unermesslichen vielen Büchern füllen können. Das soll hier aber nicht interessieren, denn jeder soll sich der Schönheit der deutschen Literatur in Form von hochvollendeter Hörbuchkunst hingeben können. Der Hörverlag hat das Beste dafür getan.

Fazit:

Die Novelle an sich ist über alle Maßen erhaben, die Umsetzung ins Hörbuch fantastisch. Matthias Brandt als Sprecher, ein hübsches Layout im Pappschieber, ein großartiges Booklet mit einem Essay von Maria Vargas Llosa und als Bonus eine Extra-CD, die einen großzügigen Einblick in Entstehung und Rezeption jenes Werkes gibt. Edel, schön und gut. So kann man sich dem Tod doch mal annähern.

 

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