Wolf-Dieter Storl: Von Heilkräutern und Pflanzengottheiten
Leuchtend, luzid, lebenswirklich – Dieses Buch macht Lust
Wo hat die Magie aufgehört? fragt Wolf-Dieter Storl im ersten Teil eines großartigen, lebensbejahenden, sinnestollen und eben auch magischen Buches. Es wird wohl irgendwann im 19. Jahrhundert gewesen sein, aber es ist eine müßige und komplizierte, wiewohl offensichtliche Sache, und es soll hier nicht zur Aufgabe gereichen, diese Frage zu beantworten. Vielmehr zeigt überhaupt die Formulierung jenes Sachverhaltes, dass Wolf-Dieter Storl nach wie vor und immer wieder zu den Lichtgestalten im deutschsprachigen Raum zählt. Und wenn man sich sein neuestes Werk im Aurum-Verlag anschaut, muss man konstatieren: da ist jemand noch luzider geworden, da hat einer den letzten widerwilligen Trotz abgelegt, um jetzt qua Verbindung zur Unendlichkeit über das Wesen der Welt referieren zu können.
Nein, er ficht auch weiterhin Definition und Usus der Forscher und Wissenschaftler an; aber er tut dies mittlerweile auf so einem hohen Niveau, dass seine Widersacher ihn nicht mehr als spinnerten Wurzelsepp abtun können .Sein Wissen über Pflanzen und Kräuterkunde, das er den Lesern hier mit einer brennenden, immer nachvollziehbaren Intensität, darreicht, ist so magisch wie wirklich, so analog wie rational. Es ist eine goldene Synthese menschlicher Erkenntnisformen, es ist kurzum ein richtig geiles Werk, von dem sich die moderne Hexe genau so bedienen kann wie der Schamane, aber auch der Hobbygärtner und Biologiestudent. Ob sie es denn wollen, hängt von ihrer persönlichen Kraft ab.
Man weiß gar nicht, wie man den Reigen in einer Rezension unterbringen soll: Etymologie, geographische Entwicklungen und Kenntnisse, Geschichte, Religion, Mythen und Sagen, TCM, Ayurveda, afrikanische und indianische Heilkunde, Astrologie und vieles mehr und alles immer bezogen auf Geist, Sinn (im sinnlichen und auch im sinnvollen Sinne) und Leben der Pflanzen. Im zweiten Teil dann wird es praktischer: wie und wo man sammelt, welche Bestandteile darin enthalten sind (da wird Storl zum weisen Chemiker), welche therapeutischen Wirkungen sich auftun, wie man es beim Essen verwendet und natürlich auch kleiner Blick auf bewusstseinsverändernde Wirkungen: geht raus und nutzet die Kräuter, möge man zusammenfassend allen zurufen.
Wer das Leben liebt, wer in den Himmel sieht und in dem Dunkel die Urkraft der gebärenden Wirklichkeit erkennt, wer mit Bäumen sprechen und mit Pilzen lachen kann, wer Kräuter streichelt und die Warnung der Stacheln respektiert, der hat und wird immer wieder einen großen Mentor und Verbündeten in Wolf-Dieter Storl finden. Seine Entwicklung vom verqueren Revoluzzer (der damals nicht minder interessant und lebensnah geschrieben hat), zur Koryphäe, die mit diesem Werk endgültig den vertrockneten Gehirnen der modernen Welt auf den Pelz rückt, ist nur folgerichtig und das Glück der Schwester Pflanze.
Fazit:
Natürlich werden grüne Politiker weiterhin schwarze Politik machen; natürlich werden Umweltschutzorganisationen weiterhin ihre Kenntnisse der Jurisprudenz anwenden, ohne dabei je mit einem Baum gesprochen zu haben; und natürlich werden Bio-Supermärkte auch in Zukunft den gleichen Mist verkaufen (nur mit anderen Farben auf den Plastikverpackungen) wie Nicht-Bio-Supermärkte. Aber es kann hinterher keiner kommen und sagen, wir haben euch nicht Alternativen angeboten. Diese fast 500 Seiten sind eine großartige, ein Geschenk für die Pflanzen, die Schwesterm der Tiere.