Ergründe die Welt, und nicht die Bücher

Friedrich Hebbel: Ergründe die Welt, und nicht die Bücher: Einfälle, Reflexionen, Beobachtungen

Deutsche Kultur von innen

Mit den ganzen großen Hs deutscher Kulturgeschichte kann man doch schon mal durcheinander kommen. Hegel, Heine, Hölderlin, Hesse und: Hebbel. Genauer: Friedrich Hebbel, geboren 1813 in einfachen Verhältnissen, gestorben just 50 Jahre später in wohlhabenden. Hebbel war in erster Linie Dramatiker, wohl deshalb, weil sein eigenes Leben genug an Dramatik vorgab. Bis zu seiner ersten Heirat mit der zweiten Frau, die ihm Kinder gebar, war er ein stetiger, rastloser Wandervogel, der per pedes Deutschland, das Alpenland, Italien oder auch Dänemark erforschte. Häufig bis zur körperlichen Verzehrung erwanderte er die Landschaft und ergründete die heimische Kultur.

Die Tragödie Genoveva oder das Drama Maria Magdalena gehören zu seinen größten Erfolgen, im Diogenes-Verlag wurde nun eine gesammelte Mischung aus seinem Nachlass, Tagebuchnotizen und Briefen veröffentlicht, die 1909 bereits unter dem Titel Hebbel, ein verkleinertes Bild seines Gedankenlebens erstmals vorlag. Redigiert damals vom großen Kulturhistoriker Egon Friedell. Genau der zeichnet sich auch für die Syntax jener Aphorismen aus, die im Gegensatz zu vielen anderen Nachlässen berühmter Autoren bestens strukturiert und aufeinander abgestimmt sind.

Das liegt an der Struktur des Werkelns von Friedell selbst. Seine Kulturgeschichte der Neuzeit und des Altertums zählen zu den Klassikern der historischen Literatur überhaupt und Grundlage des Erfolgs war das äußerst pedantische Arbeiten des österreichischen Kulturphilosophen. Das Originalvorwort der ersten Ausgabe ist in der aktuellen unverändert enthalten, hinzu kommt dieses Mal ein passendes Schlusswort, dass Hebbel und Friedell in einen gemeinamen Kontext stellt, von Wolfgang Lorenz.

Was hat Hebbel zu erzählen? Nun, in erster Linie das, was man auch aus seinen schriftstellerischen Werken kennt. Idealistische, wohlfeil prosaische oder lyrische und bisweilen radikale Gedankengänge. Aber: Hebbel war ein Kind seiner Zeit und das 19. Jahrhundert ist rückblickend – gelinde gesagt – ganz schön pervers. Und zwar im Umgang mit der Welt an sich, die Symbiose (in dem Fall die Verstärkung der Entfremdung) mit der Natur oder die gesellschaftlichen Vorstellungen. Hebbels Betrachtungen des Weibes erinnern da schon mal an die Römerbriefe des Paulus, seine Ansichten verschiedener Menschenvölker sind ebenso unrühmlicher Teil seiner Zeit.

Ganz allgemein ist ihm schopenhauersche Dialektik anzumerken. Pessimistisch, auch da, wo es um das große Ganze geht. Die Freundschaft, schreibt Hebbel, sei die Vorbereitung auf die Feindschaft. Nun, so kann man den Lauf des Lebens tatsächlich betrachten, bei Hebbels Wörtern erfolgt dies bisweilen extra schmerzhaft. Dennoch: Hebbel liebt deutsche Literatur und Lord Byron und hat ganz viel gelesen, was auf sehr avandgardistische Art und Weise in dieser Auswahl deutlich wird.

Fazit:

Die Kombination Hebbel/Friedell ist in dieser kleinen Werkschau in erster Linie ein historisches Schatzkästlein. Die Aphorismen und Gedankengänge sind Futter für Nachwuchsphilsophen, die herrliche Aufmachung im grünen Einband Standard der hochwertigen Diogenes-Produktion. Lesenswertes  Kulturgut von einem der großen Hs deutscher Provenienz.

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